
Psychotherapieverfahren der DDR
– Autogenes Training und Hypnose
Begründer und Hauptvertreter in der DDR
Hypnose und Autogenes Training stellen zwei in der DDR weit verbreitete Behandlungsmethoden dar, die an vielen Kliniken und im ambulanten Setting zum Einsatz kommen. Die Internisten Hellmuth Kleinsorge (1920 – 2001) und Gerhard Klumbies (1919 – 2015) haben wichtige Grundlagentexte zu den Methoden publiziert und dazugehörige Forschung vorangetrieben. Sie sind die wichtigsten Repräsentanten dieser Verfahren innerhalb der DDR.
Zeitliche Einordnung
Das therapeutische Verfahren der Hypnose hat in Deutschland eine lange Geschichte, deren Beginn bereits im 18. Jahrhundert zu verorten ist. Die Geschichte der Hypnose in der DDR nimmt noch vor Staatsgründung, in der Sowjetischen Besatzungszone, ihren Anfang. Der Internist Hellmuth Kleinsorge beginnt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg an der Universität Jena die Hypnose zur Behandlung verschiedener, vorrangig internistischer Störungen einzusetzen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Gerhard Klumbies beforscht und etabliert Kleinsorge von hier aus die Methode in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in der DDR.
Parallel dazu greifen Kleinsorge und Klumbies das in den 1920er Jahren vom Berliner Nervenarzt Joachim Heinrich Schultz entwickelte, der Hypnose entstammende Autogene Training auf. Zwar halten sie die Hypnose für die effektivere psychotherapeutische Methode von beiden, schätzen das Autogene Training aufgrund seiner breiten Anwendbarkeit jedoch ebenfalls sehr. Der breite Indikationsbereich des Autogenen Trainings wie auch die ab 1953 von Kleinsorge und Klumbies angebotenen Fortbildungskurse, in denen beide Methoden eine wesentliche Rolle spielen, tragen maßgeblich dazu bei, dass sich das Autogene Training schnell in der gesamten DDR verbreitet.
In den folgenden Jahren werden von verschiedenen Autoren wissenschaftliche Beiträge und Forschungsberichte zu Hypnose und Autogenem Training publiziert. Unterschiedliche ÄrztInnen und PsychologInnen setzen Hypnose und vor allem das Autogene Training an ihren Kliniken um, sodass die Methoden bald an vielen Standpunkten innerhalb der DDR präsent sind: Unter anderem die beiden Psychiater Dietfried Müller-Hegemann und Christa Kohler in Leipzig, der Psychiater Richard Heidrich in Erfurt oder der Internist Kurt Höck in Berlin wenden die Methoden verstärkt an.
Auch der zweite Jahreskongress der Gesellschaft für Ärztliche Psychotherapie (GÄP) 1962 ist den Themen Suggestion und Hypnose gewidmet. Kleinsorge wird bei diesem Anlass zum Vorsitzenden der Gesellschaft gewählt. Wenige Jahre später, 1968, verlässt dieser jedoch die DDR. Den Vorsitz der 1969 gegründeten Sektion Hypnose und Autogenes Training innerhalb der GÄP übernimmt in den Folgejahren Klumbies.
Hypnose und in besonderem Maße das Autogene Training spielen bis zum Ende der DDR sowohl als eigenständige Behandlungsmethoden sowie in Kombination mit anderen Therapieverfahren wie etwa der Intendierten Dynamischen Gruppenpsychotherapie eine wesentliche Rolle.

Kurzbeschreibung der Verfahren
Bei Hypnose und Autogenem Training handelt es sich um suggestive Behandlungsmethoden. Während bei der Hypnose mit Fremdsuggestionen gearbeitet wird, versetzen sich Patient:innen beim Autogenen Training selbst in einen nahezu hypnotischen Zustand. Die Hypnose wird mittels Schlafsuggestionen durch Ärzten oder Psychotherapeuten initiiert. Danach erfolgen therapeutische Suggestionen, die der Symptomreduktion dienen und sich nach den individuellen Beschwerden der Patient:innen richten. Die Hypnose wird mittels Desuggestionen vom Behandelnden beendet und kann je nach Bedarf beliebig oft wiederholt werden.
Das Autogene Training hingegen ist eine Selbsthypnose. Die Patient:innen erlernen in einer mehrmonatigen Übungsphase, sich selbst in eine Art hypnotischen Zustand zu versetzen. Sie sollen dazu befähigt werden, aufkommende Symptome durch den hypnotischen Zustand zu unterbinden und störende Symptome durch heilende Entspannung ersetzen.
Kleinsorge und Klumbies betrachten Hypnose und Autogenes Training als physio-psychologische Phänomene. Sie fordern eine holistische Betrachtung des Menschen, statt einer einseitigen Überbetonung seiner körperlichen oder seelischen Anteile. Um die Entstehung von Erkrankungen und die Wirkmechanismen von Hypnose und Autogenem Training zu erklären, ziehen sie die Pawlowschen Lehren zu Reflexen und Signalsystemen heran.



Quellen und Literatur
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Geyer, M. (2011b). Ostdeutsche-Psychotherapiechronik 1960 – 1969. In M. Geyer (Hrsg.), Psychotherapie in Ostdeutschland: Geschichte und Geschichten, S.145-151. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Höck, K. (1975). Zur Methodenintegration in der stationären Psychotherapie. Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie, 27, S. 385–391.
Höck, K. (1981). Konzeption der intendierten, dynamischen Gruppenpsychotherapie. Psychotherapie und Grenzgebiete, Bd. 1, S. 13-34.
Kleinsorge, H. & Klumbies, G. (1959). Psychotherapie in Klinik und Praxis. München, Berlin: Urban & Schwarzenberg.
Kohler, Ch. (1968a). Kommunikative Psychotherapie. Jena: Fischer.
Kruska, W. (1979). Geschichte der psychotherapeutischen Abteilung des Hauses der Gesundheit, Berlin. Berichte Psychotherapie und Neurosenforschung des Hauses der Gesundheit Berlin, 1, S. 1-14
Krause, W.-R. (2011). Hypnose und Autogenes Training 1945 – 1979. In M. Geyer (Hrsg.), Psychotherapie in Ostdeutschland: Geschichte und Geschichten, S.332-338. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Peter, B. (2015). Geschichte der Hypnose in Deutschland. Hypnose in Psychotherapie, Psychosomatik und Medizin, S.817-851. Berlin, Heidelberg: Springer.