Medizinische Poliklinik
der Friedrich-Schiller-Universität Jena

Psychotherapieabteilung

Die Abteilung für Internistische Psychotherapie in der Klinik für Innere Medizin der Universität Jena ist nach Berlin die zweite Psychotherapieeinrichtung der DDR. Die Ambulanz der Medizinischen Poliklinik Jena wird 1951 durch Gerhard Klumbies und Direktor Hellmuth Kleinsorges Beitrag bis Anfang der 1970er eine der drei wichtigsten Anlaufstellen zur Weiterbildung im Fach Psychotherapie, speziell für Hypnose und Autogenes Training. Sie leisten damit einen maßgeblichen Beitrag zur Entwicklung der DDR-Psychotherapie. Die Station wird in den 1960er Jahren von Margit Venner unter G. Schaeffer ausgebaut, sie entwickelt das „Jenaer Modell“. Patienten werden nun auch stationär behandelt.

Therapeutische Strömungen und Behandlungssetting

Als Oberarzt Gerhard Klumbies und Klinikdirektor Hellmuth Kleinsorge 1949 Hypnose an einer ersten Versuchsperson anwenden und mittels EKG auffällige Veränderungen messen, wird der Standort Jena ein bedeutsames Zentrum der Hypnose und Klumbies Leiter der neuen Abteilung für Internistische Psychotherapie in der Klinik für Innere Medizin der Universität Jena. Autogenes Training und Hypnose werden zu den zentralen Methoden an der medizinischen Poliklinik. So werden ab 1953 mehrtägige Psychotherapie-Kurse aufgrund der immensen Nachfrage nach Hospitation und Demonstrationen von Hypnosen angeboten.

1961 verlässt Kleinsorge Jena als „Republikflüchtling“, Klumbies gibt außerdem die Leitung in den 1960er-Jahren an den Oberarzt G. Schaeffer ab. Die Station verfügt über 9 Betten mit 80 Patienten jährlich, die Ambulanz dagegen behandelt etwa 500 Patienten im Jahr.

Mitte der 1960er Jahre baut Margit Venner unter Schaeffer die stationäre Gruppenpsychotherapie aus. Sie beginnt damit, die Tage der Patienten zu strukturieren durch z.B. Planung von Freizeitaktivitäten oder Einführung regelmäßiger Essenszeiten. Es wird mit einer symptom-, alters- und geschlechtsheterogenen Gruppenpsychotherapie begonnen. Das Behandlungssetting in den 1970er Jahren auf der Station sieht vor, sieben Wochen in geschlossenen Gruppen zu arbeiten, ohne Besuchszeiten oder Beurlaubungen, um so den Behandlungsprozess zu intensivieren.

Venner und Schaeffer entwickeln in Zusammenarbeit mit Kurt Höck in den 1970er-Jahren das „Jenaer Modell“ – eine Form der internistischen Gruppenpsychotherapie. Sie basiert auf der Intendierten Dynamischen Gruppenpsychotherapie nach Höck (1981) und dem „Göttinger Modell“ nach Heigl und Heigl-Evers (1973). Frühkindliche Spaltungsprozesse sollen nach dem Jenaer Modell in der Gruppe reinszeniert, bearbeitet und aufgelöst werden. Psychosomatisch Erkrankte werden ambulant vor- und nachbehandelt, womit Station und Ambulanz der Psychotherapieabteilung integriert werden. Weiter wird das Katathyme Bilderleben (KB) sowie psychagogische Gespräche und ein psychoanalytisch orientiertes Einzel- und Gruppentherapeutisches Angebot integriert.

Forschung und Lehre

Der „Herz und Seele“-Beitrag von Klumbies und Kleinsorge, in welchem sie von den EKG-Auffälligkeiten bei der Hypnoseanwendung berichten, wird 1949 in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift veröffentlicht und erlangt viel Aufmerksamkeit. 1959 arbeiten Klumbies und Kleinsorge zusammen an einem ausführlichen Lehrbuch zur Psychotherapie, welches schließlich aufgrund politischer Komplikationen im Druckvorhaben nur im Westen mit dem Titel „Psychotherapie in Klinik und Praxis“ veröffentlicht wird. Als Kleinsorge Anfang der 1960er (noch rechtmäßig) Jena verlässt, gilt er als „Republikflüchtling“. Dennoch kehrt er zurück in die DDR, jedoch nach Berlin und wird Vorsitzender der Gesellschaft für Ärztliche Psychotherapie der DDR (GÄP). Durch Kleinsorges Verlassen der DDR wird angeordnet, dass sein Name nicht mehr auf Veröffentlichungen erscheinen darf. Das gemeinsame Buch wird so nur mit den Anteilen Klumbies 1974 als „Psychotherapie in der Inneren und Allgemeinmedizin“ in der DDR gedruckt.

Die Psychotherapiekurse, die seit 1953 angeboten werden, werden bis 1973 durchgeführt.

Entwicklung des Standorts

Ab 1978 arbeitet die Psychotherapieabteilung der Medizinischen Poliklinik eng mit der Psychotherapie-Station der Nervenklinik Jena zusammen, die von Irene Misselwitz geleitet wird. Die Leiterinnen beider Abteilungen gründen 1990 das Institut für Psychotherapie und Angewandte Psychoanalyse Jena, das bis heute fortbesteht (Institut für Psychotherapie und Angewandte Psychoanalyse e.V. Jena).

Leitungen (über die Jahre):

  • Direktor bis 1961: Prof Dr. med. H. Kleinsorge
  • 1951-1960: OA Gerhard Klumbies
  • 1960-1985: OA Dr. med. G. Schaeffer

Forschung

  • 1949: „Herz und Seele“-Beitrag in der Deutschen Medizinschen Wochenschrift, Kleinsorge und Klumbies wenden Hypnose auf Versuchsperson an und messen mittels EKG auffällige Wandlungen 
  • Entwicklung objektiver Methoden Provokations- und Enthemmungsdiagnostik
  • Lehre- und Forschungstätigkeit im Fach Medizinische Psychologie, darunter Lehrinhalte der ärztlichen Psychotherapie, da Medizinstudium die Psychotherapie/Psychosomatik nicht behandelt

Quellen und Literatur

Heigl-Evers, A. & Heigl, F. (1973). Interaktionell-tiefenpsychologisch fundiert (analytisch orientiert)-psychoanalytische Gruppentherapie. Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik, 7, S. 132–157.

Höck, K. (1979). Psychotherapie in der DDR – Eine Dokumentation zum 30. Jahrestag der Republik.

Höck, K. (1981). Konzeption der intendierten dynamischen Gruppenpsychotherapie. In J. Ott (Hrsg.), Theoretische Probleme der Gruppenpsychotherapie. Psychotherapie und Grenzgebiete, Bd. 1, S. 13–34.

Klumbies, G. (2011). Die Anfänge in Jena 1945-1959. In M. Geyer (Hrsg.), Psychotherapie in Ostdeutschland: Geschichte und Geschichten 1945-1995, S. 63-66. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Klumbies, G. & Venner, M. (2011). Jena. In M. Geyer (Hrsg.), Psychotherapie in Ostdeutschland – Geschichte und Geschichten 1945-1995, S. 198-203. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Rösner, K. (1960). Psychotherapie in der inneren Medizin: Ein Bericht über den 8. Fortbildungslehrgang an der Medizinischen Universitäts-Poliklinik Jena. Psychiatrie, Neurologie und Medizinische Psychologie, 12(9), S. 343-349. http://www.jstor.org/stable/45249738

Universitätsklinikum Jena. (o. D.). Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. https://www.uniklinikum-jena.de/psychiatrie/

Venner, M. & Misselwitz, I. (2011). Wurzeln und Entwicklung des Thüringer „Instituts für Psychotherapie und Angewandte Psychoanalyse e. V.“. In M. Geyer (Hrsg.), Psychotherapie in Ostdeutschland: Geschichte und Geschichten 1945-1995, S. 735-736. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.