Bezirkskrankenhaus
für Psychiatrie und Neurologie Hildburghausen

Psychotherapeutische Abteilung

Kurz nach der Gründung der Klinik für Psychotherapie am Bezirkskrankenhaus Hildburghausen im Jahr 1972, wird unter der Leitung von Dr. med. Heinz Benkenstein in sogenannten Arbeitskommunitäten die Intendierte Dynamische Gruppenpsychotherapie (IDG) erarbeitet und daraufhin zur zentralen Therapieform der Klinik. Organisatorisch ist diese nach dem Konzept der therapeutischen Gemeinschaft ausgerichtet. In der Regel werden Patienten vor Aufnahme in die Klinik prästationär vorbehandelt und anschließend über zehn Wochen stationär in Gruppen therapiert. Nach Entlassung folgt eine ca. einjährige ambulante Fortsetzung der Gruppentherapie. Zu den typischen Krankheitsbildern der aufgenommenen Patienten zählen unter anderem neurotische Störungen.

Therapeutische Strömungen und Behandlungssetting

Bereits vor Gründung der Klinik für Psychotherapie am 19. September 1972 erfolgt am Standort psychotherapeutische Gruppen- und Einzelarbeit, in welcher vermutlich auch das therapeutische Konzept der späteren Abteilung erarbeitet wird. Dieses sieht vor, zwei Gruppen parallel zu behandeln: eine psychologisch geführte, verhaltenstherapeutisch-psychagogische Gruppe und eine ärztlich angeleitete, analytisch-dynamische Gruppe.

Bereits drei Jahre nach erstmaliger Durchführung von Selbsterfahrungs- und Trainerseminaren zur Intendierten Dynamischen Gruppenpsychotherapie (IDG) am Berliner Haus der Gesundheit, wird das dreijährige, in Kommunitäten organisierte Weiterbildungssystem der Sektion Gruppenpsychotherapie (GÄP) ab 1974 auch in Hildburghausen zur gängigen Ausbildungspraxis. Die Leitung der örtlichen Kommunität übernimmt OA Dr. med. Heinz Benkenstein. Die Intendierte Dynamische Gruppenpsychotherapie (IDG) entwickelt sich damit zur zentralen Therapieform des Standorts; die psychotherapeutische Behandlung ist von nun an vorwiegend tiefenpsychologisch fundiert.

Die Klinik ist nach dem Konzept der therapeutischen Gemeinschaft organisiert, welches beispielsweise durch eine Abwendung von starren Patient-Behandler-Hierarchien geprägt ist und einen Umgang auf Augenhöhe fördert, der eine neue Form therapeutisch wirkendender Gruppenprozesse ermöglicht. Die therapeutische Kette des Standorts sieht zunächst eine prästationäre Vorbehandlung vor, die von einer zehnwöchigen stationären Gruppentherapie gefolgt und mit einer ca. einjährigen ambulanten Fortsetzung der Gruppentherapie abgeschlossen wird. 1979 umfasst die psychotherapeutische Abteilung der Klinik 20 Betten und betreut zudem circa 500 ambulante Fälle jährlich. Die Klinik hat zum Jahr 1991 eine Kapazität von 20 Betten.

Forschung und Lehre

Das Bezirkskrankenhaus Hildburghausen wird 1980 als eine zugelassene Weiterbildungseinrichtung für Psychotherapie aufgeführt.

Zur Entwicklung des Standorts

Ab 1866 werden in der sogenannten „Herzoglich-Sachsen-Meiningischen Landesirren-, Heil- und Pflegeanstalt“ die ersten psychisch Kranken versorgt (circa 100 Bettenplätze). Bis zum Ersten Weltkrieg wird die Bettenanzahl auf 800 erhöht, zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs werden weite Teile der Klinik als Lazarett genutzt. In der DDR ist das Krankenhaus neben der Klinik für Psychotherapie in folgende weitere Klinikbereiche aufgegliedert: eine gerontopsychiatrische Klinik, eine Klinik für Alkohol- und Suchtkranke (einschl. Beratungsstelle), eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, eine Klinik für Rehabilitation, eine Klinik für Sozialpsychiatrie und eine Neurologische Klinik (Stand 1991). Heute befinden sich die „Helios Fachkliniken Hildburghausen“ am Standort.

„Heinz Benkenstein, MR Dr. med., ist Chefarzt der II. Psychiatrischen Klinik am Landesfachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Hildburghausen. Er ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalytiker. Als Vorsitzender des Deutschen Arbeitskreises für Intendierte Dynamische Gruppenpsychotherapie (DADG) organisiert und supervidiert er die Selbsterfahrungskommunitäten des DADG.“

Seidler & Misselwitz, 2001.

Quellen und Literatur

Auert, G. (1991). 125 Jahre Landesnervenklinik Hildburghausen 1866-1991; Festschrift. Hildburghausen: Offizin.

Fischer, W. (2001). Gab es eine eigene DDR-Psychiatrie? Psychiatrie und Psychotherapie in der DDR. In D. Schläfke & J. Richter (Hrsg.), Facetten der Psychiatrie: Festschrift zum 65. Geburtstag von Herrn Professor Dr. Klaus Ernst. Waldmann, S. 66-78.

Geyer, M. (2011). Die Weiterentwicklung der Methoden und der Methoden- Sektionen in den 1980er Jahren.  In M. Geyer (Hrsg.), Psychotherapie in Ostdeutschland: Geschichte und Geschichten 1945-1995, S. 473–559. https://doi.org/10.13109/9783666401770.473

Höck, K. (1979). Psychotherapie in der DDR – Eine Dokumentation zum 30. Jahrestag der Republik.

Ott, J. (1974). Mitteilungen der Gesellschaft für ärztliche Psychotherapie. Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie, 26(12), S. 764-765.

Seidler, C. & Misselwitz, I. (2001). Die Intendierte Dynamische Gruppenpsychotherapie. Vandenhoeck & Ruprecht. http://www.gbv.de/dms/hbz/toc/ht013010505.pdf