
Die Psychotherapie in der DDR
Die ambivalente Rolle der Psychotherapie in der DDR
Die Psychotherapie war von Anbeginn der DDR Teil ihres Gesundheitssystems – jener „Fürsorgediktatur“, die einerseits repressiv und kontrollierend, andererseits aber versucht war, die Versorgung ihrer Bevölkerung bestmöglich zu gewährleisten. Man mag sich fragen, ob inmitten von Repression, Konformitätsdruck und Mangelwirtschaft eine Psychotherapie überhaupt entstehen und existieren konnte. Die Antwort ist: Ja!
Schon am 01.10.1949 wurde die erste spezifisch psychotherapeutische Einrichtung der DDR, die „Psychotherapeutische Behandlungsstelle“ im Haus der Gesundheit (HdG) in Berlin gegründet. Zum Ende der DDR gab es ca. 40 stationäre Psychotherapieeinrichtungen und eine Behandlungskette für psychisch Kranke mit insgesamt etwa 4.000 medizinischen und psychologischen Psychotherapeuten. Da es in der DDR an Ärzten mangelte, erhielten Psychologen ab den 1950er Jahren weitreichende Kompetenzen, ab 1959 einen am Ärztegehalt orientierten Lohn. 1968 entstand an der Humboldt-Universität Berlin ein Curriculum zur Ausbildung klinischer Psychologen, 1981 wurde der Abschluss des Fachpsychologen der Medizin, zuvor bereits 1978 der „Zweitfacharzt für Psychotherapie“ eingeführt.
Die inhaltliche Ausrichtung der Psychotherapie der DDR hatte sich mehrfach einer Einflussnahme durch den Staat zu erwehren. Schon Anfang Juli 1950 fand in Moskau die sogenannte „Pawlow-Konferenz“ statt, in der Josef Stalin Vorgaben für die zukünftige naturwissenschaftliche Ausrichtung der Forschung in der Sowjetunion bzw. der in der DDR betriebenen Forschung machte. In dieser Konferenz propagierte er u. a. auch die von Pawlow, auf der „kortico-viszeralen Pathologie“ basierende Theorie der Psychotherapie. Einen weiteren ernsthaften Versuch des Zentralkomitees der SED, Einfluss auf die Entwicklung der Psychotherapie zu nehmen, gab es im Februar 1971: Im Kontext einer Veranstaltung unter dem Titel „Fragen der ideologischen Situation in den Fachgebieten Psychiatrie/Neurologie und Psychologie“ bemühte man sich, diese Fachbereiche zu ideologisieren und nach sowjetischem Vorbild zu gestalten. Dieser Vorstoß stieß allerdings auf geschlossenen Widerstand der „Hochschullehrer und Chefärzte“, obwohl diese „vorwiegend der SED angehörten“ (Harro Wendt: „Psychotherapie in Ostdeutschland und Westdeutschland sei ja doch das Gleiche“). Es gab nachweislich Psychotherapeuten, die als (informelle) Mitarbeiter der Staatssicherheit fungierten. Nach aktuellem Stand war deren Anzahl aber wohl nicht überproportional hoch. Etliche Psychotherapeuten fanden offenbar sogar Wege und Möglichkeiten, in ihrer Arbeit einer unmittelbaren Kontrolle der Stasi zu entgehen.
Die Entwicklung der Psychotherapie war naturgemäß beeinflusst durch die Geschichte der Disziplin im Nachkriegsdeutschland, aus der sich während der Anfänge der DDR bereits eigenständige Richtungen (z. B. die der Hypnose in Jena) entwickelten. Dies setzte sich in den 1960er Jahren fort, begleitet von einer weiteren Institutionalisierung des Fachgebiets und der Gründung der Gesellschaft für Ärztliche Psychotherapie (GÄP). Die Intendierte Dynamische Gruppenpsychotherapie wurde in diesem Jahrzehnt von Kurt Höck erstmals beschrieben und zu einer der wichtigsten Therapiemethoden entwickelt. In den 1970er Jahren wurden u. a. „westliche“ Psychotherapieverfahren (Gesprächspsychotherapie, Katathymes Bilderleben, Verhaltenstherapie) sowie nonverbale Methoden (Musiktherapie, Kommunikative Bewegungstherapie) im Osten integriert und erweitert, eine konstruktivere Diskussion um die lange verpönte („bürgerliche“) Psychoanalyse initiiert und der Kontakt zu Psychotherapeuten in anderen sozialistischen Ländern ausgebaut. Die 1980er Jahre werden im Rückblick als „Weg zur Emanzipation“ gesehen, zu der auch eine weitere Öffnung gegenüber dem Westen (z. B. beim Internationalen Psychotherapiesymposium 1987 in Erfurt) erfolgte. Der Beitritt der Neuen Bundesländer 1990 erforderte eine für etliche praktizierende Psychotherapeuten schwierige Transition im Sinne einer Übernahme der Richtlinien-Verfahren der BRD und aller damit verbundenen Regularien in Ausbildung und Praxis. Bemühungen nach 1989, die Psychotherapie in der DDR aufzuarbeiten, reichen von kritischen bis zu idealisierenden Darstellungen.
Themen, Hintergründe und Verfahren der DDR-Psychotherapie
Zeitzeugen Interviews - Worüber Zeitzeugen sprechen























































































































































































































