
Prof. Dr. sc. med. Klaus Thielmann

Prof. Dr. sc. med. Klaus Thielmann (1933–2024)
Arzt, Biochemiker, Hochschullehrer, stellv. Hochschulminister, Gesundheitsminister
Retter des DDR-Gesundheitswesens gesucht
Klaus Thielmann entstammte einer Ärztefamilie und wuchs in einem sorbischen Dorf auf. Nach dem Medizinstudium in Leipzig spezialisierte er sich auf Biochemie. Sein akademischer Weg führte ihn über Greifswald und Jena nach Erfurt, wo er Mitte der 1970er Jahre den Lehrstuhl für Pathologische Biochemie an der Medizinischen Akademie übernahm. Zwei Jahre später trat er der SED bei. Intern galt er als künftiger Rektor der Akademie.
Thielmann war ausgesprochen sprachbegabt: Neben Sorbisch und Deutsch beherrschte er vier Fremdsprachen und übersetzte Fachliteratur. 1982 folgte er dem Ruf nach Ost-Berlin und wurde stellvertretender Minister im Hoch- und Fachschulministerium. Im Januar 1989 übernahm er das Gesundheitsministerium als Nachfolger des in Ungnade gefallenen Ludwig Mecklinger. Dort sollte er den drohenden Versorgungskollaps und die Abwanderung medizinischen Personals eindämmen. Nach den ersten freien Wahlen 1990 wurde er von Jürgen Kleditzsch (CDU) abgelöst.
Das Ministerium für Staatssicherheit hatte bereits vor 1982 Kontakt zu Thielmann. In diesem Jahr warb es ihn als Inoffiziellen Mitarbeiter „Klaus“ an. Gesucht war ein international anerkannter Wissenschaftler, nicht älter als 50 Jahre, mit Auslandserfahrung, WHO-Kontakten und „angenehmem Äußeren“. Kurz darauf wurde Thielmann stellvertretender Minister. Das MfS erhoffte sich über ihn Einfluss auf Hochschulleitungen, Reisekader, das Gesundheitswesen und medizinische Fachgesellschaften sowie Zugänge zu westlichen Pharmafirmen. Im April 1983 beendete das MfS die inoffizielle Zusammenarbeit und führte den Kontakt von da an offiziell weiter.
In den letzten Jahrzehnten hingegen hat eine Fehleinschätzung der Rolle und Bedeutung des Gesundheits- und Sozialwesens und der medizinischen Wissenschaft zu geringe finanzielle und materielle Aufwendungen für den Arbeitsbereich und für die Lebensbedingungen der Mitarbeiter zur Folge gehabt. Die Ausgaben für das Gesundheits- und Sozialwesen liegen in der DDR unter denen westeuropäischer Staaten.
Gesundheitsminister Klaus Thielmann, 1990Porträt
1933 | 29. Oktober in Pulsnitz geboren |
1952-58 | Medizinstudium Universität Leipzig (KMU), Pflichtassistenz Kreiskrankenhaus Stralsund |
1958-59 | Schiffsarzt DSR Rostock |
1959 | Wissenschaftlicher Assistent Universität Greifswald, Institut f. Physiologische Chemie |
1959-65 | Wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent FSU Jena, Facharzt für Physiologische Chemie |
1965-68 | Habilitation und Dozent FSU Jena |
1968-71 | Gastprofessor Universität Havanna, Kuba |
1971-73 | Dozent FSU Jena, Physiologisch-Chemisches Institut |
1973-74 | Dozent Medizinische Akademie Erfurt (MAE), Abteilung für Pathobiochemie, Leiter |
1974-82 | Lehrstuhl für Pathologische Biochemie der MAE |
1978 | Mitglied SED |
1982-89 | Stellvertretender Minister Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen (MHF) |
1982-83 | Inoffizielle Tätigkeit für die Staatssicherheit als IME „Klaus“ |
1989-90 | Gesundheitsminister |
1990-91 | Professur Institut für Pathologie Charité Berlin |
1992-04 | Tätigkeit in Russland und anderen einstigen Sowjetrepubliken |
2024 | 25. Januar gestorben |

Führende Mediziner fordern im November 1989 vom neuen Ministerpräsidenten Hans Modrow die Bestätigung von Klaus Thielmann als Gesundheitsminister (alle SED). Schreiben vom 14.11.1989, Privatarchiv/Erices
Auswahl Publikationen
Himmler, V. & Thielmann, K. (1970) Wörterbuch der Biochemie, russisch-deutsch, VEB Verlag Enzyklopädie, Leipzig.
Thielmann, K. & Till, U. (1985) Pathobiochemie. Verlag Volk und Gesundheit, Berlin.
Quellen und Literatur
BArch, DC 2/7966.
BArch, DY 30/58984.
BArch, MfS, BV Erfurt AIM 772/83, IME „Klaus“.
Erices, R. (2022). Das DDR-Gesundheitswesen im Kontext der SED-Herrschaft in den 1980er Jahren. In B. Strauß, R. Erices, S. Guski-Leinwand, & E. Kumbier (Hrsg.), Seelenarbeit im Sozialismus – Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie in der DDR. Psychosozial-Verlag.