
Dr. med. Hermann Nobbe

Dr. med. Hermann Nobbe (1894–1970)
Psychiater
Anstaltspsychiater mit wissenschaftlichen Ambitionen
Hermann Nobbe wird in der Zeit des Nationalsozialismus aus verschiedenen Positionen verdrängt. Hintergrund bilden eine vermeintliche kommunistische Gesinnung sowie die Ablehnung der Tötung psychisch Kranker im Rahmen des „Euthanasie“-Komplexes. Für den Aufbau einer angestrebten humaneren Psychiatrie nach 1945 ist er prädestiniert. Als wichtiger Anstaltspsychiater will er die psychiatrischen Großkrankenhäuser stärker in die medizinische Forschung einbinden. In Uchtspringe, wo er nach dem Ende des NS-Regimes mehr als 15 Jahre tätig ist, organisierte er eine funktionierende Krankenhausverwaltung, gestaltete eine vielfältige Arbeitstherapie und setzt sich für die Familienpflege ein.
In den modernen Landesheilanstalten soll die klinisch-therapeutische Arbeit durch wissenschaftliche Forschung ergänzt werden. […] So wichtig wie für die Verhütung von Volkskrankheiten (u. a. der Geisteskrankheiten) die Arbeit an der Verbesserung des gesellschaftlichen Unterbaues ist, ebenso wichtig ist die Arbeit besonders in der Hirnpathologie, der serologischen und psychosomatischen Forschung und in der praktischen Auswertung der Forschungen Pawlows und Speranskijs bei der Bekämpfung der Geisteskrankheiten. Psychiatrie muß als Pflichtfach in die Assistentenzeit eingebaut werden […].
Hermann Nobbe: Über eine Erweiterung der Aufgaben der Landesheilanstalten. in: Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie 3 (1), S. 25–28, hier S. 28.Porträt
1894 | 12. Juli: Hermann Nobbe wird als Sohn eines kaufmännischen Angestellten in Thale (Harz) geboren. |
1914 | Immatrikulation an der Universität Halle/Saale als Medizinstudent |
1914–1918 | Nobbe nimmt im Sanitätsdienst am Ersten Weltkrieg teil und gerät in Kriegsgefangenschaft. |
1919–1922 | Fortsetzung des Studiums in Halle, Göttingen und Königsberg. Promotion zum Thema: „Die bisherigen Ergebnisse der experimentellen Pseudarthrosenbildung“ |
1922–1925 | An der Universitätsnervenklinik Halle sammelt Nobbe erste Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie unter dem Direktorat von Gabriel Anton (1858–1933). |
1925–1933 | Von Halle aus zieht es ihn nach Ostpreußen. Er wird Oberarzt an der Provinzial- und Heilanstalt Tapiau, später in Allenberg. Hier setzt er sich besonders für die „aktive Krankenbehandlung“ nach Hermann Simon (1867–1947) sowie die offene und Außenfürsorge von Langzeitpatientinnen und -patienten ein. |
1929 | 12. Juli: Heirat mit Elsa Wienandt in Königsberg |
1933–1945 | 1933 wird er Oberarzt an der Landeheilanstalt Uchtspringe. 1937 erhält Nobbe das Direktorat der Neinstedter Anstalten. Hier soll er, gemeinsam mit dem Anstaltspfarrer Pastor Richter, die private Unterbringung von Bewohnern veranlasst haben, um diese vor dem Tod zu retten. |
1945–1961 | Etablierung einer funktionierenden Verwaltung, vielfältiger Arbeitstherapie und Familienpflege. In seinem programmatischen Aufsatz „Über eine Erweiterung der Aufgaben der Landesheilanstalten“ plädiert er dafür, die Anstalten in die wissenschaftliche Forschung einzubinden und engagiert sich für die Heilerziehung geistig behinderter Kinder. |
1948 | 27.–29. Mai: Auf einer Tagung in Berlin bekunden die deutschen Psychiater und Neurologen die Abkehr von „den nazistischen Methoden sowie den Methoden der zwangsweisen Sterilisation“. Hermann Nobbe liest diese unter „starkem Beifall“ vor. |
1961–1970 | Seinen Lebensabend verbringt Nobbe in seiner Heimatstadt Thale. Hier arbeitet er weiter als Arzt in der Poliklinik des Eisen- und Hüttenwerkes. |
1970 | 1. Februar: Tod |


Auswahl Publikationen
Nobbe, Hermann: Neuere Bestrebungen der Irrenanstaltsbehandlung, einschließlich der Außenfürsorge, Dtsch Med Wochenschr 1929; 55(43), S. 1806–1807.
Nobbe, Hermann: Über eine Erweiterung der Aufgaben der Landesheilanstalten, in: Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie 1951; 3 (1), S. 25–28.
Nobbe, Hermann: Die Ausbildung der Schwestern und Pfleger der Landesheilanstalten, in: Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie 1953; 5 (12), S. 430–432.
Nobbe, Hermann: Die Aufgaben der „Krankenhäuser für Psychiatrie und Neurologie“, in: Heilberufe 1961; 12, S. 142–143.
Quellen und Literatur
https://stadt.bodetal.de/stadt-ortsteile/namhafte-menschen-der-stadt-thale (11.09.20252).
Jürgen Wieggrebe: „Entlassen: Altscherbitz“ – Zwangssterilisation und „Euthanasie“ an Bewohnern der Neinstedter Anstalten 1934–1943. In: Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhalt (Hg.): Psychiatrie des Todes. NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“ im Freistaat Anhalt und in der Provinz Sachsen, Teil 1, S. 60–74.