Akteur
Dr. med. Erich Drechsler (1903–1979)
Maler und Psychiater
Erich Drechsler stammte aus einer sozialdemokratischen Familie und war Zeit seines Lebens politisch engagiert. Zunächst studierte er an der Dresdner Akademie für Bildende Kunst und war aktiv im Expressionismus sowie im sozialen und revolutionären Kontext der Kunst der 1920er Jahre. Seine politischen Überzeugungen prägten sein Werk, das sozialkritisch und gesellschaftskritisch war.
Künstlerischer Werdegang
Drechsler arbeitete in den 1920er Jahren mit starken expressionistischen und sozialkritischen Elementen. Seine Werke, beeinflusst von Otto Dix und George Grosz, sind geprägt vom Verismus und Dramatik. Er schuf Totentanz-Zyklen, Kriegsbilder und gesellschaftskritische Karikaturen, die seine soziale Haltung widerspiegelten. Seine Kunst wurde im Nazi-Regime als „entartet“ diffamiert. Nach dem Krieg setzte er seine künstlerische Arbeit wieder fort, wenngleich in geringerem Umfang und mit wechselnden Stilarten, von expressionistisch bis kubistisch und realistischer.
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Drechsler, Erich: Pläne zur Förderung der Volksgesundheit, in: Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie 3 (8), 1951, S. 247–250, hier S. 249.Porträt
| 1903 | 10. Juni: Erich Drechsler wird in eine sozialdemokratische Arbeiterfamilie in Gera geboren |
| 1919–1924 | Studium der Malerei und Grafik an der Akademie für Kunstgewerbe in Dresden; Es entstehen 50 Zeichnungen, in denne er die Schrecken des Ersten Weltkriegs thematisert. |
| 1931–1936 | Studium der Medizin in Jena, 1937 Promotion zum Thema „Die Erythrocytensenkungsgeschwindigkeit in bezug auf entzündliche gynäkologische Erkrankungen“ |
| 1937–1945 | Assistenzarzt an der Jenaer Psychiatrischen und Nervenklinik unter Hans Berger und Berthold Kihn. In Jena ist er am Erbgesundheitsgericht tätig und entscheidet über die Zwangssterilisation von Psychiatriepatientinnen und -patienten. |
| 1934–1945 | Beisitzer am Erbgesundheitsobergericht Jena, ab 1939 in Sanitätsabteilung, Unterarzt, ab 1941 Leiter der Nervenabteilung des in Jena untergebrachten Lazaretts |
| 1945–1950 | Leiter des Landesgesundheitsamts und in der Hauptabteilung Gesundheit im Thüringer Innenministerium, 1949 Minister für Arbeit |
| 1949–1974 | Ärztlicher Direktor des Fachkrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie Stadtroda |
| 1964 | übergibt dem Ministerium für Staatssicherheit Informationen, wonach sein Vorgänger Gerhard Kloos, Tötungen im Rahmen des „Euthanasie“-omplexes in Stadtroda vorgenommen habe; die Informationen bleiben weitgehend folgenlos |
| – 1917 Eintritt in die Sozialistische Arbeiterjugend – 1924 Mitglied der SPD – 1946 Mitglied der SED – 1956 Vorsitzender der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie der DDR – Vorsitzender der Medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie in Jena – Herausgeber des Zentralblattes für Neurochirurgie | |
| 1979 | 27. November: Tod in Gera |


Erich Drechsler, Vor dem Delikatessenladen, Feder in Tusche (1924), Quelle: Kunstsammlung Gera.

Feder in Tusche (1919), Quelle: Kunstsammlung Gera.
Der Psychiater
Parallel zu seiner künstlerischen Arbeit war Drechsler Arzt, absolvierte 1936 das Medizinstudium in Jena, promovierte 1937 und wurde Assistenzarzt an der Jenaer Nervenklinik bei Hans Berger. Während der Zeit des Nationalsozialismus war er am Erbgesundheitsgericht in Jen tätig, bestimmte Gutachten zu Zwangssterilisationen. Gleichzeitig war er in illegale Widerstandsnetzwerke eingebunden. Nach 1945 wurde er zunächst vom US-Militär als Leiter des Gesundheitswesens in Gera eingesetzt, später Mitglied der Thüringer Landesregierung und ab 1949 Leiter des Fachkrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie Stadtroda.
Künstler in der DDR
In den 1960er Jahren begann Drechsler, wieder aktiv zu malen; dabei orientierte er sich an kubo-expressionistischen und abstracten Stilrichtungen. Er wurde 1966 in den Verband Bildender Künstler der DDR aufgenommen. Seine Werke sind geprägt von Verismus, Expressionismus und Neusch-afflägigkeit, zeigen soziale und politische Themen sowie religiöse Symbole. Seine Kunst wurde ausgestellt und gesammelt, ist jedoch auch durch handwerkliche Mängel und einer unpolitischenHaltung gekennzeichnet. Drechsler distanzierte sich nicht nur von der politischen Szene, sondern auch von seinen künstlerischen Vorbildern. Sein Werk zeigt Einflüsse verschiedener Richtungen, ohne eine eigene klare Handschrift zu entwickeln. Er nutzte eine Vielzahl von Techniken – Pastell, Öl, Kohle – und verband gesellschaftskritische Motive mit sozialistischer Propaganda.
Erich Drechsler war sowohl als Arzt als auch als Maler ein engagierter, politisch bewusster Mensch. Seine Kunst reflektiert die gesellschaftlichen Umbrüche des 20. Jahrhunderts, sein Wirken in der DDR wurde durch die politischen Debatten und Diffamierungen beeinflusst, blieb jedoch stets vom sozialen Engagement geprägt. Seine Arbeiten sind ein bedeutender Beitrag zur Kunst- und Medizingeschichte, geprägt durch den Spannungsbogen zwischen Expressionismus, Verismus und sozialkritischer Haltung.
Auswahl Publikationen
Drechsler, Erich: Pläne zur Förderung der Volksgesundheit, in: Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie 3 (8), 1951, S. 247–250.
Quellen und Literatur
Gerhard, Uwe-Jens; Schönberg, Anke: Der Maler und Nervenarzt Erich Drechsler (1903-1979), in: SDGGN 20, 2014.
Fitzke, Kirsten: «Hier ist der Tod der Würger»: die Arbeiten Erich Drechslers zum Ersten Weltkrieg, Marburg 2011.
Wanitschke, Matthias (Hg.): Archivierter Mord: der SED-Staat und die NS-„Euthanasie“- Verbrechen in Stadtroda, Erfurt 2005.