Bezirksnervenklinik Haldensleben

Psychotherapieabteilung

In der Psychotherapieabteilung der Bezirksnervenklinik Haldensleben werden ab 1979 Patienten mit Autogenes Training, Hypnose, persönlichkeitszentrierter Einzeltherapie und Intendierter Dynamischer Gruppentherapie (IDG) psychotherapeutisch behandelt. Auch behandlungsergänzende Elemente wie Bewegungs-, Musik-, Beschäftigungs- und Arbeitstherapie kommen dabei zum Einsatz. Der Standort verfolgt bereits ab Ende der 1950er Jahre das moderne Leitbild „Therapie statt Verwahrung“ und setzt zahlreiche Maßnahmen um, die der Verbesserung der Diagnostik und Betreuung der Patienten sowie der Arbeits- und Lebensbedingungen der Klinikangestellten dienen sollen. Eine Möglichkeit zur Ausbildung angehender Psychotherapeuten ergibt sich in der Bezirksnervenklinik Haldensleben erst nach dem Mauerfall mit der Gründung des Weiterbildungskreises für Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie des Landes Sachsen-Anhalt.

Therapeutische Strömungen und Behandlungssetting

Die Psychotherapieabteilung der Bezirksnervenklinik Haldensleben weist nach ihrer Eröffnung 1979 eine Kapazität von 20 stationären und 70 ambulanten Therapieplätzen auf. Unter der Leitung von Ernst Wachter werden hier Autogenes Training, Hypnose, persönlichkeitszentrierter Einzeltherapie und Intendierte Dynamische Gruppentherapie (IDG) durchgeführt. Zudem gibt es ergänzende Therapieangebote wie Bewegungs-, Musik-, Beschäftigungs- und Arbeitstherapie. Das Klinikgelände umfasst neben dem Klinikbereich mehrere Verwaltungsgebäude, „locker gruppierte“ Wohnhäuser für Patienten, ein Gesellschaftshaus, eine Kapelle mit klinikeigenem Friedhof und ein Maschinen- und Kesselhaus. Zudem hat die Bezirksnervenklinik Haldensleben eine eigene Wasserversorgung mit einem Brunnen und einem Wasserturm. Ein klinikeigener Gutshof mit Stallungen dient bis 1972 zum einen der Selbstversorgung der Klinik und zum anderen der therapeutischen Mitarbeit der Patienten im Rahmen der Beschäftigungs- und Arbeitstherapie. Hierfür werden auch eine klinikeigene Gärtnerei, eine Wasch- und eine Kochküche genutzt. An das Klinikgelände grenzt zudem das sog. „Pflegerdorf“, eine Reihenhaussiedlung, die Wohnraum für Ärztinnen und Ärzte, sowie für Pflegende der Bezirksnervenklinik bieten.

Neben der Psychotherapieabteilung gibt es in der Bezirksnervenklinik Haldensleben auch eine psychologische Abteilung, in der etwa 200 Patienten pro Jahr ambulant behandelt werden. Unter der Leitung von Dipl. Psychologe Hey werden hier Autogenes Training, Verhaltenstherapie, schlafsuggestive Behandlung, Elterngespräche, psychagogische und themenzentrierte Gruppentherapie, Einzeltherapie und fremdsuggestive Relaxation in Kombination mit Desensibilisierung durchgeführt.

Forschung und Lehre

Die Forschung der Psychotherapieabteilung der Bezirksnervenklinik Haldensleben befasst sich unter anderem mit den Folgen psychiatrischer Langzeithospitalisierung, der Entwicklung psychologischer Diagnostikinstrumente und verschiedenen Aspekten des Krankheitsbildes der Depression.

Nach dem Mauerfall wird im November 1990 der Weiterbildungskreis für Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie des Landes Sachsen-Anhalt gegründet. Der erste Vorstand ist der Leiter der Bezirksnervenklinik Haldensleben, Ernst Wachter. Im Rahmen dieses Weiterbildungskreises werden in der Bezirksnervenklinik Haldensleben alle vier Wochen Blockseminare durchgeführt, die von bis zu 70 Hörenden besucht werden. Die Inhalte dieser Theorieseminare sind unter anderem Balint-Gruppenarbeit, analytische bzw. tiefenpsychologische Ausbildung, gruppenpsychotherapeutische Selbsterfahrung, Verhaltenstherapie, Autogenes Training, Hypnose, Katathymes Bilderleben (KB) und Gesprächspsychotherapie.

Entwicklung des Standorts

Die Bezirksnervenklinik Haldensleben wird 1930 als sechste Landesheilanstalt der Provinz Sachsen unter dem Namen „Landesheilanstalt Neuhaldensleben“ eröffnet. Ziel ist es, ein möglichst selbstversorgendes Gemeinwesen für Ärzte, Pflegepersonal, Handwerkende, Patienten und Angehörige zu erschaffen, um der steigenden Anzahl an betreuungsbedürftigen Menschen in der Provinz Sachsen nach dem ersten Weltkrieg gerecht zu werden. Die Kapazität der Landesheilanstalt beträgt initial 472 Betten und wird nachfolgend stetig weiter ausgebaut, sodass ab 1939 bereits 1.170 Betten für Patienten zur Verfügung stehen. In der Zeit des deutschen Nationalsozialismus beteiligt sich die Landesheilanstalt Neuhaldensleben an mehr als 500 Zwangssterilisationen und im Rahmen der sog. „Aktion T4“ an der Ermordung von etwa 880 Patienten. Die dadurch frei gewordenen Bereiche der Landesheilanstalt Neuhaldensleben werden anschließend ab 1945 als Kriegslazarett genutzt und in den Nachkriegsjahren zweitweise von der Roten Armee besetzt. Aufgrund der steigenden Anzahl von therapie- und betreuungsbedürftigen Patienten werden zwischen 1955 und 1958 mehrere Außenabteilungen der Landesheilanstalt eingerichtet, die sich in ehemaligen Sommergaststätten und im Schloss Flechtingen befinden und die Bettenkapazität bis 1959 auf 1.317 Betten erhöhten. 1957 wird die Landesheilanstalt Neuhaldensleben in „Krankenhaus für Psychiatrie Haldensleben“ umbenannt. Unter der Leitung von Dr. Heinrich Schuhmann wird 1958 eine Abteilung für Neurologie und Psychiatrie eröffnet. Mit dieser neuen Abteilung beginnt eine Neustrukturierung der Landesheilanstalt, die in diesem Zuge in „Bezirkskrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie“ umbenannt wird. Unter dem Leitbild „Therapie statt Verwahrung“ werden zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Diagnostik, Behandlung, Betreuung und der Außenfürsorge der Patienten, sowie der Arbeits- und Lebensbedingungen der Mitarbeitenden eingeleitet. Dazu gehören zwischen 1960 und 1975 beispielsweise die Errichtungen eines Kurheimes für Alkoholerkrankte, eines Betriebsferienheimes, eines Betriebskindergartens und eines eigenen Omnibusbahnhofes. 1972 wird der selbstversorgende Gutshof vom Bezirkskrankenhaus abgetrennt, da immer mehr Patienten als genesen entlassen werden können und damit nicht mehr genügend arbeitsfähige Langzeitpatienten übrig sind, die den Gutshof im Rahmen der Arbeitstherapie bewirtschaften. Eine neuropsychiatrische Kinderstation mit 192 Betten wird 1975 eröffnet. 1976 wird das Bezirkskrankenhaus erneut umbenannt in „Bezirksnervenklinik Haldensleben“. Unter der Leitung von Dr. Ernst Wachter wird zudem 1979 die psychotherapeutische Abteilung eingerichtet. Nach dem Mauerfall wird die Bezirksnervenklinik Haldensleben 1996 in private Trägerschaft übergeben und 2003 von der AMEOS Gruppe übernommen und in „AMEOS Klinikum Haldensleben“ umbenannt. Auch heute gibt es hier noch eine Abteilung für Psychotherapie und eine psychiatrisch-psychotherapeutische Tagesklinik.

Quellen und Literatur

AMEOS Klinikum Haldensleben. (o. D.-a). Geschichte. Abgerufen am 15. November 2024, von https://www.ameos.de/klinikum-haldensleben/ueber-uns/geschichte/

AMEOS Klinikum Haldensleben. (o. D.-b). Geschichte. Abgerufen am 15. November 2024, von https://www.ameos.eu/pflege-haldensleben/ueber-uns/geschichte

Gropler, H. (1980). Fünfzig Jahre Bezirksnervenklinik Haldensleben. Jahresschrift des Kreismuseums Haldensleben, 21, S. 31-44.

Höck, K. (1979). Psychotherapie in der DDR – Eine Dokumentation zum 30. Jahrestag der Republik.

Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH. (o. D.). Bauhaus Dessau und die Moderne in Sachsen-Anhalt: Haldensleber Moderne: das Pflegerdorf der ehemaligen Landesheilanstalt. In: www.haldensleben.de. Abgerufen am 15. November 2024, von https://www.haldensleben.de/media/custom/2048_7612_1.PDF?1552406293

Irrling, J. (2018). Bauhaus Jubiläum: Haldensleben ist mit dabei. Volksstimme. https://www.volksstimme.de/lokal/haldensleben/haldensleben-ist-mit-dabei-895012

Schulze, R. (2014). Gedenkbuch für die Opfer des nationalsozialistischen Terrors 1933-1945 im heutigen Landkreis Börde Bundesland Sachsen-Anhalt.

Wachter, E. & Hess, H. (2011). Der Weiterbildungskreis in Sachsen-Anhalt e.V. In M. Geyer (Hrsg.), Psychotherapie in Ostdeutschland: Geschichte und Geschichten 1945-1995, S. 712-714. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.