Nachkriegssituation

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Lage im Osten Deutschlands katastrophal. Die Menschen litten unter Mangelernährung, die hygienischen Zustände waren schlecht, es fehlten Ärzte und klinische Einrichtungen. Tuberkulose, Durchfallerkrankungen, Fleckfieber und Poliomyelitis waren weit verbreitet. In den beiden Nachkriegsjahren starben in der SBZ über 40.000 Menschen an Tuberkulose. Auch die Säuglingssterblichkeit war hoch. Insgesamt gab es etwa 60.000 Krankenhausbetten gegenüber 137.000 vor dem Krieg. Verbrauchsmaterialien und Arzneimittel waren nur äußerst begrenzt vorhanden; Produktionsstätten gab es kaum.

Erste Maßnahmen unter sowjetischer Besatzung

Die sowjetische Besatzungsmacht musste rasch handeln. In mehreren Befehlen regelte sie die Gesundheitsversorgung, beispielhaft sei hier Befehl 272 vom 11. Dezember 1947 genannt, der den Aufbau der ambulanten Versorgung betraf. Darin hieß es: „Die Polikliniken stellen den Grundpfeiler einer fortschrittlichen Entwicklung des neuen demokratischen Gesundheitswesens Deutschlands dar. Sie werden zur Verbesserung der medizinischen Versorgung der Werktätigen entscheidend beitragen.“ Mit diesem Befehl wurden die einzelnen Landesregierungen und die entsprechenden Gesundheitsämter verpflichtet, die Kommunen beim Aufbau der neuen Einrichtungen zu unterstützen. Außerdem ordneten die sowjetischen Besatzer im Befehl 234 den Aufbau eines Betriebsgesundheitswesens an. In dessen Rahmen sollten ähnliche ambulante Strukturen innerhalb größerer Betriebe entstehen.

Diesen Befehlen waren Absprachen mit der SED vorausgegangen, die ihrerseits ein gesundheitspolitisches Programm konkretisiert hatte. Demnach sollte „das gesamte Heil- und Gesundheitswesen in Gemeindebetriebe unter Ausschaltung aller privatwirtschaftlichen Interessen“ überführt werden. Im März 1947 beschloss das Zentralkomitee der SED die Neuordnung des Gesundheitswesens mit dem Ziel, die „Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Werktätigen“ zu erhalten. Die Tätigkeit des Arztes sei in der Vergangenheit, so hieß es, zu einem Gewerbe verkommen. Entsprechend sollten Krankenhäuser und Kuranstalten verstaatlicht und einer sozialistischen Planwirtschaft unterstellt werden. Außerdem sollte ein Netz öffentlicher Polikliniken geschaffen werden – mit einer „ausreichenden Ausstattung“ an „allen diagnostischen und therapeutischen Einrichtungen“.

Prävention und Dispensairebetreuung als Grundprinzipien

Zentral war dabei der Gedanke, Krankheiten frühzeitig vorzubeugen. Darunter fielen insbesondere die Betreuung von Schwangeren und Müttern, Impfprogramme, Reihenuntersuchungen in Betrieben – etwa das Volksröntgenprogramm – sowie die Krebsvorsorge. Hinter diesem Präventionsgedanken stand die Vorstellung eines wechselseitigen Zusammenhangs zwischen sozialer Lage und körperlichem Befinden. Im neuen, als demokratisch deklarierten Gesundheitssystem sollte jeder Mensch das umfassende Recht haben, seine „körperlichen und geistigen Kräfte“ zu entfalten. Der Erhalt der Arbeitskraft blieb jedoch ein zentraler Aspekt. Prävention umfasste nicht nur den Schutz vor Krankheiten, sondern auch soziale staatliche Leistungen wie Kinderkrippen oder Rehabilitationsangebote.
Eine besondere Rolle spielte in der SED-Gesundheitspolitik die sogenannte Dispensairebetreuung. Die DDR verstand darunter „die kostenlose ärztliche Beratung und Behandlung als gesellschaftliche Pflicht bei gleichzeitigem Übergang zur aktiven ärztlichen Tätigkeit“. Die Bevölkerung sollte sich im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung aktiv an der eigenen Gesunderhaltung beteiligen. Neben dem Recht auf medizinische Betreuung stand die Pflicht zur Gesundheitsfürsorge. Staatlich vorgeschrieben war eine Betreuungskette von der Vorsorge über die Früherkennung bis zur Nachsorge, je nach Erkrankung, Risiko oder Schweregrad. Das betraf vor allem das Betriebsgesundheitswesen und Patienten mit bestimmten chronischen Leiden wie Krebserkrankungen oder Diabetes.

Der Aufbau eines funktionierenden Gesundheitswesens lief parallel zum Anspruch, eine leistungsfähige Wirtschaft zu errichten. Von Anfang an war das Gesundheitswesen Bestandteil der zentralisierten DDR-Planwirtschaft und besaß hohe ideologische und innenpolitische Bedeutung. Die Probleme, die sich bereits in den Anfangsjahren der SBZ und der frühen DDR offenbarten, blieben – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – bis 1989 bestehen. Dazu gehörten insbesondere der Ärztemangel, erhebliche Versorgungsschwierigkeiten und finanzielle Engpässe. Finanziert wurden die Leistungen des Gesundheitswesens über die Beiträge der Sozialversicherung und der staatlichen Versicherung. Die Mehrheit der Bevölkerung war in der Sozialversicherung pflichtversichert. Der Beitragssatz betrug einheitlich zwanzig Prozent des Bruttoeinkommens, wobei die Hälfte vom Arbeitgeber getragen wurde. Die staatlichen Gesundheitseinrichtungen und deren Personal wurden direkt vom Staat finanziert. Zusätzlich subventionierte der Staat die Sozialversicherung, da die eingezahlten Beiträge der Bevölkerung nicht ausreichten, um die steigenden Kosten des Gesundheitswesens zu decken. Trotz erheblicher staatlicher Subventionen lagen die Gesamtausgaben der DDR für ihr Gesundheitssystem deutlich unter denen der Bundesrepublik – besonders im ambulanten Bereich.

In einer Bestandsaufnahme aus dem Jahr 1950 kritisierten die staatlichen Stellen den Zustand vieler Polikliniken. Es fehlten Fachärzte, die Wartezeiten seien zu lang, Warteräume überfüllt, und „freundliche und angenehme Aufenthaltsräume“ seien oft nicht vorhanden. Zudem mangelte es an größeren medizinischen Geräten. Insgesamt jedoch hatte sich die Gesundheitsversorgung in der DDR bis zu diesem Zeitpunkt stabilisiert. Die Zahl der Krankenhausbetten war über das Vorkriegsniveau angestiegen, die pharmazeutische Industrie ausgebaut worden. Die Todesraten bei Tuberkulose, der Volkskrankheit Nummer eins, waren deutlich gesunken. Auch die Zahl der Geschlechtskrankheiten ging zurück und erreichte wieder das Niveau der Kriegszeit. Mehrere Spezialambulatorien für venerische Erkrankungen konnten geschlossen werden.

Quellen und Literatur

Erices, R. (2023). Polikliniken in der ambulanten Gesundheitsversorgung der DDR. Erfurt: Landeszentrale für politische Bildung.

Krumbiegel, H. (2007). Polikliniken in der SBZ/DDR: Konzeption und Umsetzung öffentlicher, poliklinischer Einrichtungen unter besonderer Berücksichtigung Brandenburgs. Frankfurt am Main: VAS – Verlag für Akademische Schriften.

Ernst, A.-S. (1997). „Die beste Prophylaxe ist der Sozialismus“: Ärzte und medizinische Hochschullehrer in der SBZ/DDR 1945–1961. Münster: Waxmann.

Winter, K. (1980). Das Gesundheitswesen in der Deutschen Demokratischen Republik: Bilanz nach 30 Jahren (2. Aufl.). Berlin: Volk und Gesundheit.

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