
Klinik für Neurologie und Psychiatrie
des Bereiches Medizin (Charité)
der Humboldt-Universität zu Berlin
Ursprung und Nachkriegszeit
Die Klinik für Neurologie und Psychiatrie der Charité entwickelt sich aus der ersten Anstalt für „Geisteskranke, Epileptiker, Arme und Gebrechliche“ in Berlin. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Teilung Deutschlands ist eine konsequente Entnazifizierung kaum möglich. Es herrscht akuter Personalmangel, der durch Abwanderungen nach Westberlin und die BRD verschärft wird. Rudolf Thiele, Schüler Karl Bonhoeffers, wird 1949 als Direktor der Nervenklinik der Charité (Abb. 1) berufen. Er konzentriert sich auf den Wiederaufbau (Abb. 2).


Wissenschaftliche Prägung durch Karl Leonhard
1957 wird Karl Leonhard an die Charité berufen und prägt die Klinik durch seine wissenschaftlichen Leistungen. Er entwickelt eine differenzierte Klassifikation endogener Psychosen basierend auf phänomenologischer Analyse psychopathologischer Befunde. Gemeinsam mit engagierten Kollegen, wie etwa Hans Szewzcyk, Dagobert Müller, Heinz F. A. Schulze und Peter Hagemann, baut er spezialisierte Abteilungen auf, darunter die forensische Psychiatrie, Kinderneuropsychiatrie, Neuroradiologie, Labore sowie eine Nervenpoliklinik und eine psychotherapeutische Abteilung. Leonhard macht die Berliner Nervenklinik zu einer führenden Einrichtung in der DDR mit überregionaler Bedeutung. 1958 entsteht eine der ersten universitären Abteilungen für Psychotherapie in der DDR.
Modernisierung und politische Einflüsse durch Karl Seidel
Karl Seidel nutzt seine politischen Verbindungen und trägt zur Modernisierung der Klinik bei. 1979 erhält die Psychiatrische und Nervenklinik der Charité den ersten in der DDR installierten Computertomographen. Seidel fördert die Suchttherapie und initiiert die Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Er setzt sich auch für die Suizidprävention ein; eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Helmut Kulawik gründet in den 1970er Jahren eine Betreuungsstelle für Suizidgefährdete in Ostberlin. Es entsteht zudem ein Patientenklub in der Tagesstation der Nervenklinik (Abb. 3).
Mit Klaus-Jürgen Neumärker wird die Kinderneuropsychiatrie gestärkt.

Organisatorische Entwicklungen
Ab 1976 wirkt Seidel als führender Gesundheitspolitiker der DDR beim ZK der SED, was eine zusätzliche Besetzung in den Bereichen Psychiatrie und Neurologie erforderlich macht. 1978 erhält Klaus Ernst den Ruf auf eine Dozentur an die Psychiatrische Klinik der Charité, 1979 wird er zum ordentlichen Professor für Psychiatrie ernannt. Zur gleichen Zeit wird Heinz A. F. Schulze, ein Schüler Leonhards, Direktor der Klinik.
1989 werden eigenständige Lehrstühle für Neurologie, Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie eingerichtet, was zur Gründung eigenständiger Kliniken mit unabhängigen Leitern führt.
Quellen und Literatur
https://www.aerzteblatt.de/archiv/78640/Die-Charite-in-der-DDR-Es-hat-immer-irgendwie-funktioniert 08.09.2024.
Claudia Abu Zahra, „Die ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung in der DDR am Beispiel der Hauptstadt Ostberlin“ (Dissertation, Charité – Universitätsmedizin Berlin, 2015).
Bildlegenden:
1: Charité-Berlin: Die psychiatrische und Nervenklinik Aufnahme vom 11.01.1950, Quelle: BArch, Bild 183-S91935.
2: Medizinisches Personal der Charité hilft beim Wiederaufbau der zerstörten Gebäude, 07.09.1947, Berlin. Quelle: BArch (SAPMO), BildY 1-1384-778-76.
3: Patientenklub in der Tagesklinik der Nervenklinik der Charité 1977, Quelle: BArch, Bild 183-S1209-0014.