
Hilfe für psychisch Kranke –
Arbeitstherapie
Hilfe für psychisch Kranke versprachen Therapien. Insbesondere die Arbeitstherapie spielte in der Psychiatrie in der DDR eine große Rolle. Sie wurde als Teil der sogenannten Komplextherapie begriffen. Arbeitstherapie sollte als Rehabilitationsmaßnahme therapeutisch ausgerichtet sein, ärztlich verordnet werden und möglichst frühzeitig zum Einsatz kommen. Der ökonomische Nutzen sollte sekundär sein. In der Praxis stand häufig jedoch nicht der Einzelne im Vordergrund der Rehabilitationsbemühungen, sondern vielmehr das gesamtgesellschaftliche Interesse.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1950er Jahre lag der Schwerpunkt der Arbeitstherapie in der DDR vor allem auf der Aufrechterhaltung des Klinikbetriebs. Die Nutzung der Arbeitskraft der Patienten war notwendig, um die Überbelegung der psychiatrischen Einrichtungen zu bewältigen. In den 1950er Jahren entstanden regionale Ansätze, wie die sogenannte Kolonisierung – die Einrichtung von Außenstellen in landwirtschaftlichen Betrieben – um die Kliniken zu entlasten. Obwohl diese extramuralen Maßnahmen vor allem ökonomisch motiviert waren und organisatorische Herausforderungen mit sich brachten, verfolgten sie das Ziel, die Arbeitskraft der Patienten zu nutzen.
Die theoretischen Ansprüche an die Arbeitstherapie orientierten sich an den Ideen von Hermann Simon, dem Begründer der modernen Arbeitstherapie, die milieutherapeutische Ansätze mit psychotherapeutischer Wirkung verbinden. Mit der Einführung industrieller Arbeitsgänge wurde die Arbeitstherapie zunehmend therapeutischer ausgerichtet. Ziel war es, die Wiedereingliederung der Patienten in die Gesellschaft zu fördern, was jedoch durch die ökonomischen Zwänge innerhalb der Kliniken erschwert wurde. In der Klinik Brandenburg wurden beispielsweise gestufte industrielle Arbeitsprozesse eingeführt, und es entstanden Ausbildungslehrgänge für Arbeitstherapeuten.
Aufgrund der schleppenden Produktion von Psychopharmaka in der DDR behielt die Arbeitstherapie eine zentrale Bedeutung, insbesondere im Rahmen sozialpsychiatrischer Reformprogramme wie den Rodewischer Thesen. Hier wurde die therapeutische und rehabilitative Funktion betont, um die volle Erwerbsfähigkeit der Patienten wiederherzustellen. Trotz gesetzlicher Rahmenbedingungen und Fördermaßnahmen stagnierte die Entwicklung in den meisten Krankenhäusern, abgesehen von Modellprojekten. Die ökonomische Bedeutung für den Klinikbetrieb führte dazu, dass die Arbeitstherapie meist nur insular entwickelt wurde.

Arbeitstherapie im Fachkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Berlin-Lichtenberg (Herzberge), Quelle: Historisches Archiv, Evangelische Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH)

In der Malereiwerkstatt im Fachkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Berlin-Lichtenberg (Herzberge), Quelle: Historisches Archiv, Evangelische Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH).
Rehabilitation psychisch Kranker und Arbeitsintegration
Parallel zur Arbeitstherapie entwickelte sich ab den 1950er Jahren eine staatliche Politik zur Rehabilitation erwerbsgeminderter Menschen, mit besonderem Fokus auf die Arbeitsintegration. Ziel war es, die Beschäftigungschancen psychisch Kranker zu verbessern. Es wurden gesetzliche Regelungen geschaffen, die geschützte Arbeitsplätze und Rehabilitationszentren vorsahen. Allerdings lag der Fokus zunächst vor allem auf körperlich Geschädigten. Für psychisch Kranke waren spezielle Strukturen kaum vorhanden: Es gab nur wenige Außenstellen in Fachkliniken, und die meisten Patienten hatten keinen Zugang zu geschützter Arbeit.
Bis 1975 wurden in der DDR nur etwa 1.373 geschützte Arbeitsplätze für 11.000 chronisch kranke Psychiatriepatienten eingerichtet. Mit der Zeit, insbesondere zwischen 1975 und 1988, konnte die Kapazität deutlich ausgebaut werden. Besonders im ambulanten Bereich, etwa in der sozialpsychiatrischen Modellregion Leipzig, waren Ende der 1980er Jahre mehr als 80 % der psychisch Erkrankten berufstätig. Die Großkrankenhäuser blieben jedoch weitgehend von den Rehabilitationsmaßnahmen abgekoppelt, was vor allem an den Schwierigkeiten bei der Überleitung in den ambulanten Bereich lag.


Fazit
Die Arbeitstherapie in der DDR entwickelte sich von einer rein ökonomisch orientierten Maßnahme hin zu einem therapeutischen Instrument, das die Wiedereingliederung psychisch Kranker in die Gesellschaft fördern sollte. Trotz gesetzlicher Initiativen und einiger Erfolge blieb die Entwicklung insgesamt langsam und durch strukturelle Herausforderungen geprägt.
Quellen
Armbruster, Jan: Zur Entwicklung der Arbeitstherapie in der DDR unter besonderer Berücksichtigung des Bezirkskrankenhauses Stralsund, in: Kumbier, Ekkehardt; Steinberg, Holger (Hg.): Psychiatrie in der DDR. Beiträge zur Geschichte., Berlin-Brandenburg 2018 (Schriftenreihe zur Medizin-Geschichte, Bd. 24), S. 261–274.
Weiterführende Literatur
Armbruster, Jan; Jarisch, Anne: Im Spannungsfeld von individueller Rehabilitation und Missbrauch: Arbeitstherapie in der DDR-Psychiatrie am Beispiel des Bezirkskrankenhauses Stralsund, in: Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Nervenheilkunde 20, 2014, S. 353–384.
Windirsch, Antonia; Haack, Kathleen; Grabe, Hans J. u. a.: Therapie – Ökonomie – Zwang. Zur Rolle der Arbeitstherapie in psychiatrischen Einrichtungen der DDR, in: Kumbier, Ekkehardt; Haack, Kathleen (Hg.): Psychiatrie in der DDR III. Weitere Beiträge zur Geschichte, Berlin 2023, S. 201–218.
Windirsch, Antonia; Haack, Kathleen; Grabe, Hans Jörgen u. a.: „Ein wesentliches Therapeutikum“ – Arbeitstherapie in psychiatrischen Einrichtungen der DDR aus Sicht von Zeitzeugen, in: Fortschritte Der Neurologie-Psychiatrie 91 (9), 2023, S. 360–365.
Presber, Wolfgang; Katzenstein, Ursula Pacyna: Probleme und Perspektiven der Arbeitstherapie in der DDR, in: Das Deutsche Gesundheitswesen 16 (31), 1961, S. 1449–1455.
Berthold, Horst; Störk, Günter: Psychiatrische Arbeitstherapie, in: Renker, Karlheinz (Hg.): Grundlagen der Rehabilitation in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (Ost) 1964, S. 185–196.
Glass, Joachim: Der Wandel im Inhalt der Arbeitstherapie in stationären psychiatrischen Einrichtungen und die Begründung der Notwendigkeit eines speziellen Versicherungsschutzes für bleibende Schäden, die im Zusammenhang mit der Arbeitstherapie auftreten, Med. Diss., Medizinische Akademie, Dresden 1969.
Tuchscheerer, Gottfried: Zur Wertigkeit der Arbeitstherapie für die Rehabilitation, in: Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie 25 (9), 1973, S. 553–560.