
Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie
Rodewisch
Psychotherapeutische Abteilung
Das Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Rodewisch fällt bereits Mitte der 1950er Jahre durch fortschrittliche neurologisch-diagnostische Verfahren sowie offen und wohnlich gestaltete Stationen auf. Die Klinik, die 1956 noch „Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Rodewisch“ heißt, setzt es sich zum Ziel, bezüglich ihrer therapeutischen Standards im internationalen Vergleich mithalten zu können. 1963 dient sie deshalb als Austragungsort des 1. Internationalen Symposiums über Psychiatrische Rehabilitation, bei dem die „Rodewischer Thesen“, eine Reihe allgemeiner, wissenschaftlich begründeter Therapieempfehlungen erarbeitet werden, welche die DDR-Psychiatrie nachfolgend für Jahrzehnte prägen werden. Mit Eröffnung einer eigenständigen psychotherapeutischen Abteilung durch den Ärztlichen Direktor Dr. Rolf Walther im Jahr 1977 kann die Station mit 15 Frauen- und 10 Männerbehandlungsplätzen ebenfalls Psychotherapie anbieten. Neben der Gestaltung, die sich an der Klinik in Uchtspringe orientierte, ist vor allem das tiefenpsychologisch ausgerichtete Behandlungskonzept eine Besonderheit.
Therapeutische Strömungen und Behandlungssetting
Bereits im frühen 20. Jahrhundert ist die Klinik darauf ausgerichtet, Patienten eine für damalige Verhältnisse menschenwürdige und humane Therapie und Unterbringung anzubieten.
Ab Mitte der 1950er Jahre werden für damalige Verhältnisse aktuelle neurologisch-diagnostische Verfahren wie Röntgendiagnostik eingeführt und die Stationen zunehmend offener und wohnlicher gestaltet, so werden beispielsweise Gitter vor den Fenstern einiger Stationen entfernt. Die Klinik, die seit 1956 „Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Rodewisch“ heißt, setzt es sich zum Ziel, bezüglich ihrer therapeutischen Standards im internationalen Vergleich mithalten zu wollen. So werden beispielsweise bereits im psychiatrischen Bereich gruppentherapeutische Verfahren angewandt.
Da die Behandlung in der Klinik ab Mitte der 1950er Jahre nicht mehr rein psychiatrisch ausgerichtet ist, wird das Haus A14 auf Initiative des Ärztlichen Direktors Dr. Rolf Walther 1974 saniert und umstrukturiert. Man orientiert sich hierbei an der Gestaltung der Berzirksnervenklinik Uchtspringe. Drei Jahre später wird der Klinikkomplex am 1. Januar 1977 um eine eigenständige psychotherapeutische Station ergänzt, mit 15 Plätzen für Frauen sowie 10 für Männer. Neben der Gestaltung, die Zweibettzimmer sowie einen großen Gruppen- und Gymnastikraum umfasst und ebenfalls nach dem Vorbild der Klinik in Uchtspringe sowie einem milieutherapeutischen Ansatz entsteht, ist vor allem das tiefenpsychologisch ausgerichtete Behandlungskonzept eine Besonderheit, wie der damalige Chefarzt Dr. Hans Jörg von Kirchbach betont.
Die Beschäftigungs- und Arbeitstherapie ist bereits in den 1950er Jahren in das Behandlungskonzept der Klinik inkludiert. Die Arbeiten, die sich anfänglich auf Näh-, Schneider oder künstlerische Arbeiten wie Teppichknüpfen beschränken und vor allem der Ausgestaltung der Klinik im Sinne der Milieutherapie dienen sollen, werden im Laufe der Zeit immer weiter differenziert und professionalisiert, sodass neben dem gewöhnlichen arbeitstherapeutischen Betrieb ab 1974 zusätzlich Zusammenarbeiten mit umliegenden Unternehmen aufgenommen werden. In diesem Rahmen führen vor allem Langzeitpatienten beziehungsweise Patienten mit chronischen Leiden einfache Produktionsschritte, wie das Zusammensetzen von Kunstblumen als teilweise gewerbliche Arbeitstherapie aus. Einige Patienten übernehmen im Rahmen arbeitstherapeutischer Maßnahmen außerdem krankenhausinterne Arbeiten wie Küchendienst.
Forschung und Lehre
Die Fortschrittlichkeit der Klinik lässt sich auch daran erkennen, dass sie 1963 der Austragungsort des 1. Internationalen Symposiums über Psychiatrische Rehabilitation ist, bei dem 120 Ärzte und Wissenschaftler aus neun Ländern eine Reihe allgemeiner wissenschaftlich begründeter Therapieempfehlungen erarbeiten, welche heute als „Rodewischer Thesen“ bekannt sind.
Da die Klinik auch nach der Gründung der psychotherapeutischen Station mit ihrem fortschrittlichen Therapieanspruch auffällt, kommen wiederholt Hospitanten nach Rodewisch, die sich dort neues Wissen aneignen. Außerdem halten die Ärzte der Klinik innerhalb von Sachsen zahlreiche Seminare ab, in denen sie ihr Fachwissen zur Behandlung psychisch Erkrankter teilen, erinnert sich der damalige Chefarzt Dr.med. Hans-Jörg von Kleinbach.
Entwicklung des Standorts
Gegründet als „Königlich Sächsische Landesheil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke zu Untergöltzsch“ im Jahr 1893 wächst die „gemischte Anstalt“ schnell zu einem Komplex mit über 40 Gebäuden an, der sowohl für heil- als auch unheilbar Kranke ausgelegt ist. Der Standort im Südwesten Sachsens bedeutet bei einer Kapazität von 400 Betten einen großen Fortschritt für die psychiatrische Versorgung im Grenzgebiet zwischen Thüringen und Sachsen.
Während des Ersten Weltkrieges erfolgt in der Einrichtung kein gewöhnlicher Krankenbetrieb, da das Haus als Reservelazarett für Soldaten dient. Mit der Zeit des Nationalsozialismus werden ab 1933 Zwangssterilisationen am Standort durchgeführt, zahlreiche Personen aus der Klinik fallen dem sog. „Euthanasieprogramm“ zum Opfer und werden ermordet.
Ab Mitte der 1950er Jahre finden unter der Leitung des Ärztlichen Direktors Dr. Rolf Walther tiefgreifende Veränderungen in der Krankenhausstruktur statt. Verschiedene psychiatrische Abteilungen werden in den darauffolgenden Jahren modernisiert und neu strukturiert sowie die psychotherapeutische Station am 1. Januar 1977 eröffnet.
Nach der Wiedervereinigung fällt die Verwaltung der Einrichtung an den Freistaat Sachsen, woraufhin sie in den Folgejahren umgestaltet und in ihrer Bettenanzahl verkleinert wird.
Leitungen (über die Jahre):
- Ärztlicher Direktor Dr. Rolf Walther (1955-1973) Initiative für psychotherapeutische Station, Ärztlicher Direktor Medizinalrat Dr.med. Gottfried Pohlers (ab 1973-1975), Ärztlicher Direktor Dr. Helmut Heinroth (eröffnet Station 1977, geht 1985 nach Pfafferode), Chefarzt Dr. Hans Jörg von Kirchbach (Daten nicht gänzlich bekannt)
Vor Gründung der Psychotherapiestation angewandt:
- Arbeitstherapie, Milieutherapie, Kunsttherapie, Heilgymnastik
Quellen und Literatur
Höck, K. (1979). Psychotherapie in der DDR – Eine Dokumentation zum 30. Jahrestag der Republik.
Rank, M. & Eisenschmidt, K. (2018). Die Geschichte der gelben Häuser. 125 Jahre Sächsisches Krankenhaus Rodewisch. Sächsisches Krankenhaus Rodewisch.