
Psychiatrisches Pflegeheim Dobbertin – Außenstelle der Bezirksnervenklinik Schwerin
Errichtung
Im August 1961 unterrichtete der Rat des Bezirkes Schwerin den Rat der Gemeinde Dobbertin, das in einem ehemaligen Kloster untergebrachte Kreisfeierabendheim in ein Spezialheim umzuwandeln. Hintergrund bildete die Intention des Leiters der Bezirksnervenklinik (BNK) Schwerin, Horst Berthold, psychiatrische Pflegefälle aus der Klinik herauszunehmen und in einem Heim unterzubringen. Ziel war der Aufbau einer kinderpsychiatrischen Station. Sie sollte Entlastung für die an permanenten Bettenmangel leidende Schweriner Einrichtung dienen. In Schwerin sah man aufgrund der Entlastung erstmals die Möglichkeit, eine moderne diagnostisch-therapeutische Abteilung zu entwickeln.

Verbesserungsbemühungen in den 1970er Jahren
In der ersten Hälfte der 1970er Jahre gab es in Dobbertin gezielte Anstrengungen, die Lebens- und Therapiebedingungen für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Kinderspielplätze wurden mit Sandkästen und einer Anlage zur Verkehrserziehung ausgestattet. Für Kinder mit zerebralen Bewegungsstörungen entstand ein Gymnastikraum. 1972 wurde im Haus 2 eine Jugendstation eingerichtet. 1973 begannen die Vorbereitungen zur Aufnahme von 45 pflegebedürftigen Kindern aus der Psychiatrischen Kinderstation Dessin, einer Außenstelle der BNK. Die Einrichtung in Dessin sollte künftig als psychiatrisches Pflegeheim für Erwachsene unter Verantwortung des Kreises Sternberg dienen. Um die Kinder in Dobbertin unterzubringen, war der Umbau von Haus 8 erforderlich. Bauverzögerungen führten dazu, dass Mitte 1975 klar wurde: der Fertigstellungstermin war nicht zu halten.
Brandkatastrophe und Folgen
Am 16. November 1974 kam es in Haus 2, der Jugendstation, zu einem Brand. Es gab zwar keine Verletzten, doch das Gebäude musste vollständig wiederhergestellt werden; die Kosten betrugen rund 200.000 Mark. Der Brand war ein schwerer Rückschlag für die geplanten Verbesserungen. Die Jugendlichen wurden über Monate provisorisch in der ohnehin überfüllten Einrichtung untergebracht. Erst Ende 1975 konnten sie in die fertiggestellte zweite Hälfte von Haus 8 umziehen. 1977 wurde die Jugendstation in Haus 2 wiedereröffnet.

Umsetzung staatlicher Reformen
Auch in Dobbertin gab es Versuche, die in der DDR erlassenen Verordnungen und Reformvorschläge zur Verbesserung der psychiatrischen Betreuung umzusetzen. 1975 organisierte man für 35 Kinder aus dem Förderbereich eine örtliche Feriengestaltung. Die kulturelle Betreuung der Heimbewohner erfolgte überwiegend durch „Mach-Mit-Stunden“ des Personals und der FDJ. Allein 1988 leisteten die Mitarbeiter 1.088 solcher Stunden, ergänzt durch 92 Stunden der FDJ.
1982 wurden auf einigen Erwachsenenstationen Patientenräte eingeführt. Immer wieder gab es Bestrebungen, die Bettenzahl im Kinderbereich zu reduzieren, um bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Der Chefarzt der Kinderpsychiatrie, Werner Panther, unterstützte Elterninitiativen und ermunterte sie, Eingaben an den Rat des Bezirkes und an den Staatsrat zu richten.

Unzureichende Ergebnisse und widersprüchliche Anerkennung
Trotz dieser Bemühungen blieben die Resultate unzureichend. Dobbertin galt, wie Hans Hopkes betonte, im Norden der DDR als abschreckendes Beispiel für die stationäre Unterbringung von Menschen mit Behinderungen. Umso widersprüchlicher wirkt es, dass 1981 sieben Arbeitskollektive des Ortes den Staatstitel „Bereich der vorbildlichen Ordnung und Sicherheit“ erhielten – und diesen Titel jährlich verteidigten. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre sprachen die verantwortlichen Ärzte die gravierenden Probleme in Dobbertin offener an. Hauptkritikpunkte waren die völlig unzureichenden baulichen Voraussetzungen und die chronische Überbelegung, die Neuaufnahmen kaum zuließ. 1989/90 kam es schließlich zu offenem Protest von Panther und seinen Mitarbeitern gegen die Arbeits- und Lebensbedingungen sowie gegen die völlig unzureichenden finanziellen Mittel zur Verbesserung der Situation.
Schritt in Richtung Neuanfang
Im Sommer 1990 begann Panther, Kontakte zur Vorwerker Diakonie in Lübeck zu knüpfen, um von den Erfahrungen der westdeutschen Psychiatrie zu profitieren und neue Perspektiven für Dobbertin zu entwickeln. Die Gespräche führten zu Verhandlungen über eine Übernahme in diakonische Trägerschaft. Am 1. Juli 1991 ging das Kloster Dobbertin mit seinen 550 Bewohnern und 280 Mitarbeitern in die Verantwortung des Diakonischen Werkes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs über.
Quellen
Bersch, Falk: Kinder und Jugendliche in sonderpädagogischen, psychiatrischen und Behinderteneinrichtungen in den DDR-Nordbezirken. Teil 2: Die Institutionen I – Gesundheitswesen, Schwerin 2022, S. 129–140.
Bildlegenden:
1: Ehemaliges Kloster Dobbertin, in dem 1962 ein Spezialheim für psychisch Kranke eingerichtet wurd, Quelle: LHAS, 7.11-131 Bezirksnervenklinik Schwerin 83, unpag.
2: ausgebrandtes Haus 2 der Dobbertiner Einrichtung, Quelle: LHAS, 7.11-131 Bezirksnervenklinik Schwerin 83, unpag
3: Aufenthaltsraum im Haus 2, Quelle: LHAS, 7.11-131 Bezirksnervenklinik Schwerin 83, unpag.