
Bezirkskrankenhaus
für Neurologie und Psychiatrie Leipzig-Dösen
Gründung und frühe Funktion
Im Jahr 1901 wird die Heilanstalt Dösen eröffnet. Sie übernimmt einen Großteil der psychiatrischen Versorgung für die Stadt Leipzig und entwickelt sich schnell zu einer zentralen Einrichtung im Bereich der Psychiatrie (Abb. 1).
Zeit des Nationalsozialismus: Medizinischer Missbrauch und Verbrechen
Während der NS-Zeit wird unter der Leitung von Hermann Paul Nitsche das sogenannte „Luminalschema“ eingeführt – ein Verfahren, bei dem durch langsame Überdosierung des Barbiturats Luminal Patientinnen und Patienten getötet werden. Das Schema wird in psychiatrischen Anstalten im gesamten Deutschen Reich übernommen. In Leipzig-Dösen fallen diesen Verbrechen etwa 1200 Menschen zum Opfer.
![Bettensaal in der Krankenanstalt Leipzig-Dösen, um 1930, Quelle: http://www.die-wiese-zittergras.de/geschichte/orte/heil-und-pflegeanstalt-leipzig-doesen/#iLightbox[image_carousel_1]/2](https://www.sisap-ausstellung.de/wp-content/uploads/2025/08/1-Bettensaal-um-1930.jpg)
Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg
Im Mai 1945 sind nur noch ca. 230 psychisch Kranke in Dösen untergebracht. Die Sterberate bleibt aufgrund der schlechten Versorgungslage hoch. Eine konsequente Entnazifizierung und Verfolgung der nationalsozialistischen Verbrechen finden nicht statt. Die Klinik verfügt neben der Psychiatrie über eine Chirurgische Abteilung und die Abteilung für Innere Medizin. Mit der Bezirksgründung 1952 geht die Einrichtung als „Krankenanstalten Leipzig-Dösen“ wieder in den Besitz der Stadt Leipzig.
Entwicklung zur Fachklinik für Psychiatrie und Neurologie
Zwischen 1951 und 1953 wird die Klinik von Dietfried Müller-Hegemann geleitet. 1958 erhält sie den Status eines Bezirkskrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie. Eingeführt wird eine „Komplextherapie“, die Psychopharmakotherapie, Somatotherapien (u. a. Elektrokrampftherapie) und Psycho- und Soziotherapie (z. B. Arbeitstherapie) umfasst (Abb. 2).
Reformversuche und sozialpsychiatrische Ansätze
Unter Bernhard Schwarz, der 1962 die Leitung übernimmt, werden erste Versuche unternommen, offene sozialpsychiatrische Konzepte in den Klinikalltag zu integrieren. Dies stößt auf große Herausforderungen – insbesondere beim Pflegepersonal, das stark in traditionellen Strukturen verhaftet war. Auch die Größe und Struktur des Großkrankenhauses erschwert Reformen erheblich.

Ziel: Sektorisierte Versorgung
Schwarz verfolgt ab den 1970er Jahren das Ziel einer Sektorisierung der psychiatrischen Versorgung. Es wird beispielhaft für die Entwicklung in der DDR. Idealerweise sollte eine Behandlungseinheit bestehen aus:
- vollstationären Behandlungsplätzen
- halbklinischen Einrichtungen (wie Tages- und Nachtkliniken sowie Wohnheimen)
- Ambulanzen
- Familienberatungsdiensten
- Vernetzung mit anderen sozialen Institutionen (z. B. Gerichte, Gesundheitsämter, kommunale Verwaltung)
Überregionale Bedeutung und anhaltende Überbelegung
Trotz der Reformbemühungen bleibt Leipzig-Dösen stark überbelegt, da die Klinik nicht nur für Leipzig, sondern auch für überregionale Einweisungen zuständig ist. Die strukturellen Bedingungen eines Großkrankenhauses verbessern sich (Abb. 3), behindern dennoch eine konsequente Umsetzung der sektorisierten, gemeindenahen Versorgung. Mit den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge der Friedlichen Revolution 1989/90 stehen die teilweise desolaten materiellen und personellen Zustände, insbesondere in den Langzeitbereichen in der Kritik.
Nach 1990 geht die Klinik in den Besitz der Stadt Leipzig über, firmiert ab 1991 als Park-Krankenhaus Leipzig-Dösen, Städtisches Krankenhaus für Psychiatrie, Chirurgie und Innere Medizin, 1996 wird eine Forensische Klinik aufgebaut. 1999 erfolgt der Verkauf an die Rhön-Klinikum AG, 2003 der Umzug nach Probstheida.

Quellen
Christiane Roick: Heilen, Verwahren, Vernichten. Die Geschichte der sächsischen Landesanstalt Leipzig-Dösen im Dritten Reich, Diss., Leipzig 1997.
Thomas R. Müller, Psychiatriemuseum Leipzig: unveröffentlichtes Manuskript.
Schwarz, Bernhard; Weise, Klaus; Bach, Otto u. a.: Über die strukturelle und funktionelle Konzeption der stationären und ambulanten psychiatrischen Versorgung in Leipzig, in: Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie 28 (5), 1976, S. 307–313.
Bildlegenden:
1: Bettensaal in der Krankenanstalt Leipzig-Dösen, um 1930, Quelle: http://www.die-wiese-zittergras.de/geschichte/orte/heil-und-pflegeanstalt-leipzig-doesen/#iLightbox[image_carousel_1]/2.
2: Arbeitstherapie in Leipzig-Dösen, 1970er Jahre, Quelle: Sächsisches Psychiatriemuseum Leipzig.
3: Zimmer in den 1980er Jahren in Leipzig-Dösen, Quelle: Sächsisches Psychiatriemuseum Leipzig.