Kuren in der DDR –
Gesundheit und Psyche

Die Kur hatte in der DDR einen hohen Stellenwert. Sie war nicht Luxus oder Freizeitvergnügen, sondern Teil der allgemeinen Gesundheitsfürsorge. Möglich wurde dies durch die Einbindung in das System der Sozialversicherung. Wer zu einer Kur zugelassen wurde, musste keinen Urlaub opfern, erhielt Krankengeld und auch die Fahrtkosten wurden übernommen. Auf diese Weise wurden Kuren einem breiten Teil der Bevölkerung zugänglich.

Gesundheitsfürsorge und Politik

Gesundheitspolitisch galt die Kur als Mittel, die Arbeitskraft langfristig zu erhalten. Heilkuren behandelten chronische Leiden, Genesungskuren unterstützten nach Krankheiten, prophylaktische Kuren dienten der Vorbeugung. Damit knüpfte das Kurwesen an die alte Tradition des Heilbades an, gab ihr aber eine neue gesellschaftliche Ausrichtung. Ziel war es, die Volksgesundheit im Ganzen zu stärken und die Belastbarkeit der „Werktätigen“ zu sichern. Zugleich wurde das Angebot beständig ausgeweitet: Mitte der 1970er-Jahre fanden jährlich bereits Hunderttausende von Kuren statt, viele davon prophylaktisch.

Auch Auslandskuren gehörten zum System. Patienten konnten nach Ungarn, in die ČSSR oder an die Schwarzmeerküste geschickt werden. Diese Aufenthalte waren begehrt und kosteten den Einzelnen nichts, standen aber nur einem ausgewählten Kreis offen. Die Entscheidung beruhte nicht allein auf medizinischen Gründen, sondern auch auf sozialem Ansehen und politischer Zuverlässigkeit. So verband sich gesundheitliche Versorgung mit gesellschaftlicher Steuerung.

Ordnung, Disziplin und seelische Stabilisierung

Im Alltag der Einrichtungen trafen medizinische Fürsorge und erzieherische Elemente zusammen. Der Tagesablauf war streng strukturiert: ärztliche Anwendungen, Bewegung, Vorträge zur gesunden Lebensweise und kulturelle Angebote prägten den Rhythmus. Die aktive Mitwirkung am „Kurregime“ war ausdrücklich erwünscht. Dadurch verband sich der medizinische Nutzen mit dem Anspruch, Menschen an Disziplin und kollektives Verhalten zu gewöhnen.

Alkohol und Tabak waren offiziell unerwünscht. Begründet wurde dies sowohl medizinisch als auch pädagogisch: Die Kur sollte zur Regeneration beitragen und zugleich einen gesunden Lebensstil einüben. Gerade bei Auslandskuren klagten DDR-Vertreter jedoch darüber, dass die Regeln lockerer gehandhabt wurden und Patienten im Ausland Alkohol oder Zigaretten leichter konsumieren konnten.

Auch psychische Aspekte spielten eine Rolle. Bei Kinderkuren wurden nicht nur körperliche Leiden behandelt, sondern auch sogenannte psychovegetative Störungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Die Vorstellung war, dass eine Kombination aus medizinischer Betreuung, geregeltem Alltag und kollektiver Erziehung zur seelischen Stabilisierung beitragen könne. Ab den 1970er-Jahren rückten zudem Kinder mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen stärker in den Blick, wenngleich die Angebote lange begrenzt blieben und nur „anpassungsfähige“ Kinder aufgenommen wurden.

So zeigt das Kurwesen der DDR eine doppelte Ausrichtung: Es war ein wichtiges gesundheitspolitisches Instrument, das vielen Menschen kostenlos Zugang zu Erholung und Therapie eröffnete. Zugleich verband es die Sorge um Körper und Psyche mit pädagogischen Vorgaben, die den Anspruch des Staates auf Formung des Einzelnen widerspiegelten.

Quellen und Literatur

Erices, R. (2025). Kuren in der DDR. Erfurt: Landeszentrale für politische Bildung Thüringen.

Röhl, A. (2022). Das Elend der Verschickungskinder. Gießen: Psychosozial-Verlag.

Lingelbach, G., & Rössel, R. (2022). Kuren, Rüsten, Urlaube. Freizeiten behinderter Menschen und ihrer Familien in Ost- und Westdeutschland. Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, 19(2), 303–327.

Mecklinger, L. (1998). Zur Umsetzung der Gesundheitspolitik im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR. Berlin: Eigenverlag.

 

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