Kommunikative Bewegungstherapie

In den 1960er Jahren entwickelt sich die Kommunikative Bewegungstherapie unter der Leitung von Christa Kohler (1928-2004) in der Psychotherapie-Abteilung der Karl-Marx-Universität Leipzig. Mit dem Leitungswechsel von Dietfried Müller-Hegemann zu Kohler beginnt an diesem Standort eine völlig neue Psychotherapiebewegung. Hierbei kommt ein multimodales Therapiekonzept zum Einsatz (siehe Kommunikative Psychotherapie). Neben dem nonverbalen Verfahren der Kommunikativen Bewegungstherapie ergänzen Musik- und Gestalttherapie die Behandlung.

Einen entscheidenden Impuls für die Bewegungstherapie bringt Kohler von ihrem Besuch 1962 aus Lindau mit, wo sie erstmals eine Gruppentherapie beobachtet, bei der Patienten ermutigt werden, kommunikativ miteinander in Kontakt zu treten. Gleichzeitig stößt Anita Wilda-Kiesel auf Texte von Lucy Heyer-Grote (1931) und Elsa Gindler, welche Körpertherapie und die bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers in den Mittelpunkt stellen. Vor dem Hintergrund, dass die versuchte Einführung des Autogenen Trainings am mangelnden Körpergefühl der Patienten in Leipzig scheitert, fließt diese Erkenntnis über die Notwendigkeit des Bewusstseins für den eigenen Körper in die Entwicklung der Kommunikativen Bewegungstherapie mit ein. Bewegungstherapien für psychisch Erkrankte sind zu diesem Zeitpunkt kaum verbreitet. Erste systematische Hinweise darauf finden sich im Jahr 1959 im „Handbuch für Neurosenlehre und Psychotherapie“ von Heyer-Grote. 1967 findet zu dem Thema das erste internationale Symposium mit dem Titel „Probleme der Bewegungstherapie unter psychotherapeutischem Aspekt“ statt. Ab 1969 werden erste spezifische Weiterbildungen für in Psychiatrien tätige Physiotherapeuten angeboten. Ab 1971 können Physiotherapeuten an der Bezirksakademie Leipzig Fortbildungen absolvieren und dadurch auch eine gehaltliche Besserstellung erlangen. Mit der nachfolgend eingeführten einjährigen Fortbildung im Umfang von 450 Stunden, können diese überdies den Titel des „Fachphysiotherapeuten für funktionelle Störungen und Neurosen“ erhalten. In den 1970er Jahren wird die Kommunikative Bewegungstherapie zunehmend in die Therapielandschaft der DDR-Kliniken integriert. Im Jahr 1972 wird auch in der Fachliteratur die Bezeichnung „Kommunikative Bewegungstherapie“ aufgegriffen. Nach dem krankheitsbedingten Rückzug Kohlers 1974 setzt sich der Werdegang der Kommunikative Bewegungstherapie im Rahmen der Gesellschaft für Ärztliche Psychotherapie (GÄP) der DDR mit der Gründung der „Arbeitsgruppe Kommunikative Bewegungstherapie“ fort.

In der Therapiegestaltung steht das subjektive Befinden der Patienten im Fokus. Ausgehend von ihrem jeweiligen Zustand sind die gestellten Anforderungen zunächst an die jeweils zu behandelnde Person angepasst. Im Rahmen der Kommunikativen Bewegungstherapie werden sowohl psychische als auch psychosomatische Erkrankungen behandelt. Es erfolgt die Therapie von Patienten, die an Neurosen, chronischen Krankheiten, depressiven Verstimmungen, Fehlentwicklungen oder Überforderungs- und Belastungssymptomen leiden. Die Bewegung in der Kommunikativen Bewegungstherapie bietet dem Patienten Raum für Handlungserfahrung. Das

Verhalten und Erleben in der Interaktion mit Teilnehmern der Gruppe wahrzunehmen stellt einen wichtigen Bestandteil der Behandlungsform dar. Zu einer Verbesserung ihrer Entspanntheit während der Behandlung wird den Patienten mithilfe der „Konzentrativen Entspannung“ verholfen. Außerdem wird ein bewusster Umgang mit dem eigenen Körper geschult und das Interaktionsverhalten der Erkrankten positiv beeinflusst. Im Beziehungsgefüge der Gruppe ist die Möglichkeit gegeben, die Bewältigung von schwierigen Situationen zu erproben. Weitere Ziele der Übungen schließen die Förderung von Körpererleben, der Entscheidungsfähigkeit, der Konfrontationsfähigkeit, von Mut sowie von Eigen- und Fremdwahrnehmung mit ein.

Quellen und Literatur

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