Medizinische Versorgung
in der Untersuchungshaft der Staatssicherheit in Leipzig

Die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Leipzig war ein zentraler Bestandteil der politischen Strafverfolgung in der DDR. Während zu Organisation und Praktiken der Stasi-Haft inzwischen zahlreiche Studien vorliegen, ist über die medizinische und insbesondere psychische Versorgung der Inhaftierten vergleichsweise wenig bekannt. Aktenbestände aus der Bezirksverwaltung Leipzig ermöglichen Einblicke in die Strukturen und Entwicklungen von den 1950er- bis in die 1980er-Jahre. Dabei wird deutlich, dass medizinische Betreuung im Kontext der Untersuchungshaft stets zwischen Fürsorge, Kontrolle und politischer Zweckmäßigkeit stand.

Medizinische Strukturen und Entwicklungen

Formal war den Inhaftierten das Recht auf medizinische Betreuung zugesichert. In der Anstalt existierte eine Ambulanz mit Pflegedienst und zwei Ärzten für Allgemeinmedizin, ergänzt durch zahnärztliche Sprechstunden. Kleinere Eingriffe, Laboruntersuchungen oder Röntgenaufnahmen waren möglich; für Fachbehandlungen wurden Häftlinge in das nahegelegene Haftkrankenhaus in Leipzig-Meusdorf oder andere Einrichtungen überwiesen.

Die frühen Jahre waren von Mangel und Unstrukturiertheit geprägt. Medikamente fehlten, das Wachpersonal war kaum geschult, Suizide und Misshandlungen traten häufiger auf. Berichte schildern willkürliche Disziplinarmaßnahmen, unzureichende Reaktionen bei medizinischen Notfällen und gravierende hygienische Defizite. In den 1970er- und 1980er-Jahren setzte dagegen eine deutliche Professionalisierung ein: systematische Aufnahmeuntersuchungen, feste Dokumentationspflichten und standardisierte Abläufe zur Suizidprävention bestimmten nun den Alltag. Auch die bauliche Ausstattung der Ambulanz wurde erweitert.

Ein zentrales Ziel blieb jedoch die Kontrolle der Inhaftierten. Ärztliche Bescheinigungen wurden etwa benötigt, um Arrestfähigkeit festzustellen oder Zwangsmaßnahmen zu legitimieren. Die Nähe von medizinischer Betreuung und sicherheitspolitischen Interessen war damit strukturell vorgegeben. Gesundheit wurde nicht als eigenständiger Wert, sondern im Rahmen der Ermittlungs- und Verfahrenssicherung behandelt.

Psychische Belastungen und Grenzen der Versorgung

Psychische Beschwerden wie Unruhe, Schlafstörungen, depressive Stimmungen oder Angstzustände wurden regelmäßig vermerkt, therapeutische Maßnahmen blieben jedoch begrenzt. In den späten 1980er-Jahren verschrieben die Ärzte vermehrt Psychopharmaka – von Beruhigungsmitteln bis hin zu Neuroleptika. Für weitergehende Begutachtungen erfolgten Überweisungen nach Waldheim in Sachsen oder in das Zentrale Haftkrankenhaus des MfS in Berlin.

Das Hauptziel der medizinischen Betreuung lag weniger im individuellen Wohl der Gefangenen als in der Aufrechterhaltung des Strafverfahrens. Suizide mussten unter allen Umständen verhindert werden; sie galten als Versuch, sich dem Prozess zu entziehen. Dementsprechend wurden Wärter intensiv geschult, Insassen engmaschig überwacht und genaue Notfallprozeduren festgelegt.

Die Quellen verdeutlichen, dass die medizinische Versorgung in der Leipziger Untersuchungshaft von Gegensätzen geprägt war. Auf der einen Seite stand die Absicherung von Gesundheit, soweit sie für den Fortgang des Verfahrens notwendig erschien. Auf der anderen Seite fehlten echte therapeutische Konzepte, vor allem für psychisch belastete oder erkrankte Inhaftierte. So zeigt sich ein Bild von medizinischer Fürsorge, die zugleich begrenzt, instrumentell und den sicherheitspolitischen Zielen des Staates untergeordnet blieb.

Quellen und Literatur

BArch, MfS, Abt. XIV, Fo 69.

Söhner, F., Haack, K., Wickert, T., & Kumbier, E. (2025). Zwischen Heilauftrag und Repression – Die Rolle der Medizin und die psychiatrische Versorgung am Haftort Hohenschönhausen: Eine Rekonstruktion aus Erinnerungen. Psychiatrische Praxis.

Albrecht, M. (2017). Die Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit in Leipzig: Mitarbeiter, Ermittlungsverfahren und Haftbedingungen. Berlin: Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Abteilung Bildung und Forschung.

Meyer, J. (2013). Humanmedizin unter Verschluss: Die medizinische Versorgung und Behandlung politischer Häftlinge in den Strafvollzugsanstalten der DDR. Berlin: Metropol.

Passens, K. (2012). MfS-Untersuchungshaft: Funktionen und Entwicklung von 1971 bis 1989 (1. Aufl.). Berlin: Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte.

Beleites, J. (2011). Schwerin, Demmlerplatz: Die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit in Schwerin (2. Aufl.). Schwerin: Der Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR.

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