Akteur

Dr. med. Margit Venner

Fachärztin für Innere Medizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie; Psychoanalytikerin, Lehr- und Kontrollanalytikerin, Gruppenlehranalytikerin

 

Margit Venner gilt als Mitentwicklerin eines Gruppenmodells für die stationäre Behandlung von Patienten mit schweren psychosomatischen Erkrankungen in Jena, das sowohl in Bezug auf die Symptome als auch auf das Alter und das Geschlecht eine heterogene Zusammensetzung zuließ.

Margit Venner beginnt 1964 ihre internistische Ausbildung und psychotherapeutische Qualifikation in der Psychotherapie-Abteilung der Medizinischen Poliklinik an der Universität Jena und behandelt dort ab 1970 stationär Patienten in Form geschlossener Gruppen mit einer festgelegten Behandlungszeit von sieben Wochen. Als Oberärztin und Abteilungsleiterin übernimmt sie von Gerhard Klumbies die Abteilung Internistische Psychotherapie der Universitätsklinik für Innere Medizin und entwickelt parallel dazu an der Poliklinik einen speziellen Behandlungsansatz für psychosomatische Patienten. Währenddessen steht sie in engem Austausch mit Kurt Höck und Gerhard Schaeffer. Ebenfalls ist Margit Venner zu dieser Zeit in der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung tätig sowie in der studentischen Ausbildung im Fach Medizinische Psychologie.

Auf Grundlage der Intendierten Dynamischen Gruppentherapie und des Göttinger Modells entwickelt Margit Venner zusammen mit Kollegen in den 1970er Jahren die Internistisch Stationäre Gruppenpsychotherapie für psychosomatisch Kranke, welche sowohl die stationäre als auch die ambulante Psychotherapie integriert. Dabei greift sie auf tiefenpsychologisch fundierte Konzepte der Psychotherapie zurück, setzt aber auch autogenes Training, Hypnose und Katathymes Bilderleben sowie verhaltenstherapeutische und körperorientierte Techniken ein. In den 1980er Jahren erforscht Margit Venner die Effektivität des Jenaer Modells für analytische Gruppenpsychotherapie in Bezug auf den klinischen Verlauf und übernimmt die Leitung der Ausbildung Gruppenselbsterfahrung in Thüringen, die begleitet wird durch einen regelmäßigen Austausch mit Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern in Westdeutschland.

Die Psychotherapie stellt für Margit Venner eine Nische in der DDR dar (offiziell wird der Kapitalismus als verantwortlich für die Entstehung psychischer Störungen ausgemacht). Zwar gibt es keine direkten staatlichen Eingriffe in ihre Behandlungskonzeption, jedoch konzentriert sie sich in der Arbeit auf das „Hier und Jetzt“, da das biographische Arbeiten unter den Überwachungsbedingungen durch das Ministerium für Staatssicherheit kaum möglich ist. „Heikle Themen“ in den Therapiesitzungen werden, wenn überhaupt, in Andeutungen ausgesprochen.

Ab dem Mauerfall ist Margit Venner weiter als Oberärztin und Abteilungsleiterin tätig und übernimmt ebenfalls das Lehrfach Psychosomatik/Psychotherapie in der Medizinischen Psychologie an der Universität Jena. Gemeinsam mit Irene Misselwitz gründet sie ab dem Jahr 1993 das Institut für Psychotherapie und Angewandte Psychoanalyse Jena (IPPJ) in Jena zur Aus-, Weiter- und Fortbildung in tiefenpsychologisch und analytisch fundierter Psychotherapie und begleitet das Amt der Vorsitzenden von 1990 bis 2004. 2002 wird Margit Venner die John-Rittermeister-Medaille verliehen.

Porträt

1937geboren
Medizinstudium in Jena
ab 1956Arbeit in der Medizinischen Poliklinik Jena, Promotion
1964Tätigkeit in der Psychotherapie-Abteilung der Medizinischen Universitätspoliklinik Jena
ab 1964Mitglied der Gesellschaft für ärztliche Psychotherapie, später Vorstandsmitglied der AG „Psychotherapie bei psychosomatischen Erkrankungen“ sowie Mitarbeit in der AG „Psychotherapie in der Inneren Medizin“
1969Fachärztin für Innere Medizin, hauptamtliche Tätigkeit in der Psychotherapie
ab etwa 1970Entwicklung der Internistischen Gruppenpsychotherapie (Gruppenmodell für die stationäre Behandlung von Patienten mit schweren psychosomatischen Erkrankungen, mit tiefenpsychologisch fundierter Methode), gemeinsam mit Gerhard Schaeffer sowie in Austausch mit Kurt Höck, basierend auf der „Dynamisch Intendierten Gruppenpsychotherapie“ nach Höck und dem „Göttinger Modell“ nach Heigl und Heigl-Evers
ab 1975Ausbildungsleiterin in Psychotherapie für den Bezirk Gera. Umfangreiche Weiterbildungs- und Fortbildungstätigkeit in Form von Grundkursen, Problemfallseminaren, Balint-Seminaren und Kursen (autogenes Training, Hypnose, psychotherapeutische Gesprächsführung, Katathymes Bilderleben)
ab etwa 1978Trainerin in Selbsterfahrungskommunitäten
1981Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
ab Ende der 1980er JahreAusbilderin und Leiterin von Selbsterfahrungsgruppen in Thüringen, sowie Ausbilderin bei Weiterbildungen im Bereich der Gruppenpsychotherapie in Jena
etwa 1985-1990Vorsitzende der durch sie mitbegründeten Regionalgesellschaft für Ärztliche Psychotherapie im Bezirk Gera (der GÄP). Leitung der Grundkurse für Psychotherapie und Selbsterfahrungsgruppen.
1985Vollständige Übernahme der Vorlesung Medizinische Psychologie für Studenten der Humanmedizin und der Stomatologie sowie Einführung & Gestaltung der Seminare Medizinische Psychologie an der Universität Jena;
Arbeitsschwerpunkte: Integration der Psychotherapie in die klinische Arbeit durch Konsultations- und Liaisondienste, Balintseminare und Weiterbildungsveranstaltungen
ab 1985Tätigkeit als Oberärztin in der „Klinik Innere Medizin“ in der „Abteilung Internistische Psychotherapie“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
ab 1990Dozentin für Psychosomatik/Psychotherapie in der Medizinischen Psychologie der Universität Jena
1993Mitgründerin des Instituts für Psychotherapie und Angewandte Psychoanalyse Jena (IPPJ) gemeinsam mit Irene Misselwitz, Institut zur Aus-, Weiter- und Fortbildung in tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie
1994Vorsitzende der Thüringer Gesellschaft für Psychotherapie, Psychosomatik und Medizinische Psychologie e. V. (GPPMP)
um 2000Ehrenmitglied des Instituts für Psychotherapie und Angewandte Psychoanalyse Jena (IPPJ)
2002Verleihung der John-Rittmeister-Medaille
 

Auswahl Publikationen bis 1989

Venner, M. (1981). Hypnose und Gruppenpsychotherapie. in: Psychiatrie, Neurologie und Medizinische Psychologie (Beiheft), Bd. 28, S. 65-68.

Venner, M. (1988). Anpassungs-, Bewältigungs- und Abwehrvorgänge – entscheidende Faktoren im Therapieprozess. in: Zeitschrift Für die Gesamte Innere Medizin und Ihre Grenzgebiete, Bd. 43(2), S. 40-43.

Venner, M., Ederer, C., Daniel, E. & Ehle, G. (1989). Schwierigkeiten und Erfahrungen bei der Vermittlung psychosozialer Kompetenz an Medizinstudenten. in: Zeitschrift für Klinische Medizin, Bd. 44(25), S. 2265-2267.

Auswahl Publikationen nach 1989

Venner, M., & Daniel, E. (1993). Behandlung psychosomatisch Kranker. in: Leuner, Hanscarl; Hennig, Heinz; Fikentscher, Erdmuthe; Rosendahl, Wolfram/MI (Hrsg.). Katathymes Bilderleben in der therapeutischen Praxis. Stuttgart: Schattauer, S. 111-114.

Venner, M., & Misselwitz, I. (1999). Psychotherapie nach der Wende. Die Schäden des Erdbebens heilen. in: Deutsches Ärzteblatt, Heft 9 (25), S. 529.

Wutzler, U. & Venner, M. (2010). Selbstschädigende Spendemotive im Rahmen der Lebendnierentransplantation. in: Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Bd. 56(4), S. 419-428.

Venner, M. (2011). Psychotherapie in der Inneren Medizin. in: Geyer, M. (Hrsg.). Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945-1995. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 421-426.

Venner, M. (2011). Die Entwicklung der internistischen stationären Gruppenpsychotherapie in Jena. in: Geyer, M. (Hrsg.). Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945-1995. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 201-203.

Venner, M., & Misselwitz, I. (2011). Wurzeln und Entwicklung des Thüringer „Instituts für Psychotherapie und Angewandte Psychoanalyse e.V.“. in: Geyer, M. (Hrsg.). Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945-1995. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Venner, M., & Misselwitz, I. (2011). Sprechen in der Psychotherapie. in: Geyer, M. (Hrsg.). Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945-1995. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 842-844.

Venner, M., & Rübe, S. (2001). Stationäre Gruppenpsychotherapie mit psychosomatisch Kranken. in: Seidler, C. & Misselwitz, I. (Hrsg.). Intendierte dynamische Gruppenpsychotherapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Wutzler, U., & Venner, M. (2010). Psychosoziale Nachsorge bei Organtransplantation. in: Deutsches Ärzteblatt, Bd. 107 (3), S. 38.

Venner, M., Misselwitz, I., & Ederer, C. (2013). Studentische Identitätsfindung im Rahmen der „Wende“. Teil 2. in: Mahler, E.: Phantasie und Realität in der Spätadoleszenz: Gesellschaftliche Veränderungen und Entwicklungsprozesse bei Studierenden, S. 233.

Venner, M. (2015). Verkehrte Welt. Ethische Probleme der Lebensorgantransplantation. in: Psychotherapie im Alter, Bd. 12 (4), S. 499-507.

Wutzler, U., Venner, M., Friedel, L., Schadeberg, C., & Schlensog-Schuster, F. (2024). Dynamische Administration einer analytischen Gruppenselbsterfahrung – Das Jenaer Modell. in: Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik, Bd.60 (4), S. 319-338.

Quellen und Literatur

Geyer, M. (2011). Autorenkurzbiografien. in: Geyer, M. (Hrsg.). Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945-1995. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 871-893.

Venner, M. (2011). Die Entwicklung der internistischen stationären Gruppenpsychotherapie in Jena. in: Geyer, M. (Hrsg.). Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945-1995. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 201-203.

Geyer, M. (2011) „Ostdeutsche Psychotherapiechronik 1980-1989.” in: Geyer, M. (Hrsg.). Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945-1995. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 461-73.

Klumbies, G. (2011). Die Anfänge in Jena 1945-1959. in: Geyer, M. (Hrsg.). Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945-1995. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 63-66.

Misselwitz, I. (2011). Nachwirkungen des Erfurter Kongresses 1987 – Die Schöpfung einer Großtante aus dem Westen. in: Geyer, M. (Hrsg.). Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945-1995. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 623-628.

Geyer, M. (2011) “Ostdeutsche Psychotherapiechronik der Wende- und Nachwendezeit.” in: Geyer, M. (Hrsg.). Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945-1995. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 675-85.

 

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