Haftkrankenhaus des MfS Berlin-Hohenschönhausen

Von 1959 bis 1989 unterhielt das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in Berlin-Hohenschönhausen ein zentrales Haftkrankenhaus. Es lag innerhalb des Sperrgebiets der Untersuchungshaftanstalt und war für die Insassen aller 17 MfS-Haftanstalten sowie des Lagers X zuständig. Insgesamt wurden dort nach aktuellem Stand 3.173 Häftlinge stationär behandelt.

Offiziell diente die Einrichtung der medizinischen Versorgung und der Sicherstellung von Haft-, Vernehmungs- und Prozessfähigkeit. Eingeliefert wurden neben verletzten „Grenzverletzern“ vor allem Gefangene mit psychischen Belastungsreaktionen wie Angstzuständen oder Psychosen, die häufig medikamentös behandelt wurden. Ab 1978 war dauerhaft ein Facharzt für Psychiatrie und Neurologie angestellt, was den besonderen Stellenwert psychiatrischer Arbeit unterstreicht. Das Haftkrankenhaus erfüllte zudem Aufgaben, die über die reine medizinische Betreuung hinausgingen. Der Psychiater war an forensisch-psychiatrischen Begutachtungen beteiligt, erstellte Täterhypothesen und war in die Analyse von Beweismitteln eingebunden. Dadurch bestand eine enge Abstimmung mit der Untersuchungsabteilung (Linie IX) des MfS sowie eine Verzahnung mit der Arbeit von Staatsanwaltschaft und Gerichten.

In der Forschung wird diskutiert, ob medikamentöse Behandlungen auch im Zusammenhang mit Vernehmungen eine Rolle spielten. Eindeutige Belege liegen bislang nicht vor. Jüngere Untersuchungen haben jedoch erstmals einzelne Hinweise in Krankenakten aufgezeigt, die auf eine solche Möglichkeit hindeuten. Damit steht das Haftkrankenhaus exemplarisch für die Schnittstellen zwischen medizinischer Versorgung und sicherheitsdienstlichen Aufgaben des MfS. Zugleich macht es deutlich, dass die genaue Rolle des ärztlichen Personals in der Untersuchungshaft der DDR noch weiter untersucht werden muss.

Quellen

https://www.stiftung-hsh.de/themen/geschichte-des-ortes/haftkrankenhaus

Wickert, Tillmann; Haack, Kathleen; Söhner, Felicitas; Kumbier, Ekkehardt: Eine Fallstudie – Zum Verhältnis von Medikation und geheimpolizeilicher Praxis im MfS-Haftkrankenhaus Berlin-Hohenschönhausen, in: Der Nervenarzt, 2025. Online: .

Voigt, Tobias; Erler, Peter: Medizin hinter Gittern: das Stasi-Haftkrankenhaus in Berlin-Hohenschönhausen, Berlin 2011.

Weiterführende Literatur

Söhner, Felicitas; Haack, Kathleen; Wickert, Tilmann; Kumbier, Ekkehardt: Zwischen Heilauftrag und Repression: Die Rolle der Medizin in der Haftanstalt Hohenschönhausen – Eine Rekonstruktion aus Erinnerungen, in: Psychiatrische Praxis, 2025, S. im Druck.

Wieser, Martin: From Hohenschönhausen to Guantanamo Bay: Psychology’s role in the secret services of the GDR and the United States, in: Journal of the History of the Behavioral Sciences 54 (1), 2018, S. 43–61. Online:

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