Prof. Dr. phil. Dr. h. c. mult. Kurt Hager

Kurt Hager (1912–1998)

Politbüro des ZK der SED, Sekretär für Wissenschaft, Volksbildung und Kultur

Kurt Hager – Gesundheitspolitik unter ideologischer Aufsicht

Kurt Hager gehörte seit den 1950er-Jahren zur obersten Führungsriege der SED und war von 1955 bis 1989 Sekretär des Zentralkomitees für Wissenschaft, Bildung und Kultur. In dieser Funktion war er zugleich das für die Gesundheitspolitik zuständige Mitglied des Politbüros. Damit lag die ideologische Rahmensetzung für das Gesundheitswesen der DDR in seiner Verantwortung. Während Hager großen Einfluss auf kultur- und bildungspolitische Fragen nahm, spielte die konkrete Organisation des Gesundheitswesens für ihn persönlich offenbar eine nachgeordnete Rolle. Gleichwohl blieb das System den Grundprinzipien der SED unterworfen: staatliche Planung, politische Kontrolle und die Abgrenzung von westlichen wissenschaftlichen Strömungen. Gegen Ende der DDR traten die strukturellen Defizite des Gesundheitswesens deutlich zutage – Medikamentenmangel, Unterversorgung und eine wachsende Kluft zu internationalen Standards. Besonders in psychiatrischen Einrichtungen außerhalb der Universitäten waren die Bedingungen teilweise katastrophal und für die Betroffenen menschenunwürdig. Diese Probleme waren im Rahmen der politischen Strukturen nicht mehr zu beheben und blieben auch während Hagers Amtszeit bestehen.

„Würden Sie, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?“

Kurt Hager, 1987

Porträt

19124. Juli geboren in Bietigheim (Württemberg), wo er auch aufwuchs
1931Mitglied im CVJM und im Sozialistischen Schülerbund
1930 – 1936Mitglied KPD; 1933 Verhaftung und 18 Monate Haft nach dem sog. „Kabelattentat“;
anschließend Emigration
1936 – 1937Exil in der Schweiz und Frankreich
1937 – 1939Journalist im Spanischen Bürgerkrieg (u. a. Deutscher Freiheitssender, Radio Madrid)
1939 – 1941Internierung in Frankreich
1941 – 1945Flucht und Internierung in Großbritannien;
später Journalist unter dem Pseudonym „Felix Albin“
1946 – 1949Rückkehr nach Deutschland; Chefredakteur „Freie Tribüne“ und zeitweise „Neues Deutschland“
1948 – 1949Dozentenlehrgang an der Parteihochschule „Karl Marx“
Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität
1949 – 1952Leiter der Abteilung Propaganda im ZK der SED
1952 – 1955Leiter der Abteilung Wissenschaft im ZK der SED
1954Promotion zum Dr. phil. an der Humboldt-Universität
1955 – 1989Sekretär des ZK für Wissenschaft, Volksbildung und Kultur – damit auch für Gesundheitspolitik
1958 – 1963Kandidat des Politbüros der SED; Mitglied der Volkskammer
1963 – 1989Vollmitglied des Politbüros; Leiter der Ideologischen Kommission; Mitglied im Staatsrat (ab 1976) und im Nationalen Verteidigungsrat (ab 1979)
1989Verlust aller Partei- und Staatsfunktionen im November
1990Ausschluss aus der SED-PDS
1995 – 1996 Mitglied der DKP
Strafverfahren wegen Amtsmissbrauchs eingestellt aus gesundheitlichen Gründen
199818. September gestorben in Berlin

Die Broschüre „Jenaer Reden und Schriften 1985 der Friedrich-Schiller-Universität Jena“ widmet sich der Festveranstaltung aus Anlass des 40. Jahrestages der Neueröffnung der Universität am 14.10.1985. Kurt Hager erhält den Ehrendoktortitel der Naturwissenschaften durch die Mathematisch-Naturwissenschaftlich-Technische Fakultät.

Auswahl Publikationen

Hager, K. (1986). Marxismus-Leninismus und Gegenwart: Vortrag auf der wissenschaftlich-methodischen Konferenz des marxistisch-leninistischen Grundlagenstudiums am 24. Oktober 1986 in der Humboldt-Universität zu Berlin. Dietz.

Hager, K. (1987). Wissenschaft und Wissenschaftspolitik im Sozialismus: Vorträge 1972 bis 1987. Dietz.

Hager, K. (1996). Erinnerungen (1. Aufl.). Faber & Faber.

Quellen und Literatur

BArch, B 515/152.

BArch, DY 30/10259.

BArch, MfS, HA XX, 41.

BArch, NY 4286/53.

Braun, J. (2023). Politische Medizin: Das Ministerium für Gesundheitswesen der DDR 1950 bis 1970. Wallstein.

Erices, R. (2023). „Offensive der politisch-ideologischen Arbeit“ als Rettungsanker? Herausforderungen in der DDR-Gesundheitspolitik der achtziger Jahre. In E. Kumbier & K. Haack (Hrsg.), Psychiatrie in der DDR III. Weitere Beiträge zur Geschichte (Bd. 28, S. 43–58). be.bra wissenschaft verlag.

Erices, R. (2022). Das DDR-Gesundheitswesen im Kontext der SED-Herrschaft in den 1980er Jahren. In B. Strauß, R. Erices, S. Guski-Leinwand, & E. Kumbier (Hrsg.), Seelenarbeit im Sozialismus—Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie in der DDR. Psychosozial-Verlag.

Barth, B.-R., & Müller-Enbergs, H. (2010). Hager, (Leonhard) Kurt. In Wer war wer in der DDR? (5. Aufl., Bd. 1). Ch. Links.

 

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