Akteur

Dr. med. Herbert Gerhard Loos (*1934)

Psychiater

Psychiater und Aufklärer

Herbert Loos gehört zu den Psychiatern, die sich nach der politischen Wende aktiv dafür eingesetzt haben, den Missbrauch der Psychiatrie in der DDR aufzuklären. Loos mahnte an, die Vergangeheit nicht einfach wegzuschieben. Er begreift die Auseinandersetzung mit der Psychiatrie in beiden deutschen Staaten als Chance einer Standortbestimmung jenseits der Himmelsrichtungen.

Das volle Ausmaß der Kluft zwischen [ein]er […] anmaßenden Gesellschaftsidee [in der DDR] und den Niederungen der Alltagsrealität erschließt sich erst ganz, wenn man dagegensetzt, daß fast zeitgleich in Berlin aus Anlaß der„Weltjugendfestspiele“ 1973 psychisch Kranke unter Bruch der eigenen Gesetzlichkeit als potentielle Störfaktoren „prophylaktisch“ zwangseingewiesen wurden und alle ärztlichen Direktoren vor Staatsfeiertagen die Aufforderung erhielten, an diesen Tagen keine Patienten zu beurlauben oder zu entlassen.

Herbert Loos: „Anerkannte Unterordnung“ (1992), S. 179.

Porträt

193416. April: Herbert Gerhard Loos wird in Dresden geboren.
1952–1960zunächst Studium der Biologie in Dresden, Wechsel zur Medizin (Universität Leipzig), 1959 Staatsexamen, 1960 Promotion zum Thema: „Untersuchungen über die Rolle des Nikotinabusus im neurologisch-psychiatrischen Patientengut“
1955Eintritt in die SED
1960–1965Pflichtassistentenzeit, Approbation, Fachausbildung zum Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Fachkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Neuruppin
1965–1972Stations-, dann Oberarzt in Neuruppin, ab 1968 Leitender Facharzt für Neurologie und Psychiatrie mit Schwerpunkt Neurologie an der Poliklinik Neubrandenburg
1972–1989Oberarzt  an der „Klinik für Akute Psychiatrie“ am Fachkrankenhaus für Neurologie und  Psychiatrie Herzberge (Berlin Lichtenberg)
1976Ausschluss aus der SED, danach laut eigener Aussage keine leitende Position mehr möglich, zunehmende Beschäftigung mit psychiatriehistorischen Themen
1980er JahreMitarbeit im Arbeitskreis „Ärzte für den Frieden – Berlin“ beim Landespfarrer für Krankenseelsorge der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg
1990Auftrag des letzten Magistrats von Groß-Berlin (nach der Wahl im März 1990) eine Kommission zur Prüfung des Missbrauchs der Psychiatrie in Ost-Berlin anzuleiten
1991 Chefarzt der Klinik für Gerontopsychiatrie am Fachkrankenhaus Herzberge, das im selben Jahr mit dem Evangelischen Diakoniekrankenhaus zum „Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge“ (KEH) verschmolz
1994Chefarzt der Klinik für Erwachsenenpsychiatrie am KEH
1999Ruhestand
MitgliedschaftenDeutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN), Aktion Psychisch Kranke e. V., Deutschsprachige Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks e. V. (DGPA), totgeschwiegen e. V. (Gesellschaft gegen Stigmatisierung psychisch kranker Menschen)
An dem bis 1988 in fünf Auflagen erschienenen Ratgeber arbeitete Herbert Loos zu verschiedenen Themen des Alterns mit.
Plan der medizinischen und sozialen Betreuung des FKH für Neurologie und Psychiatrie Berlin-Lichtenberg 1983, Exemplar von Herbert Loos.

Auswahl Publikationen

Loos, Herbert: „Das Altern“; Das Altern in sozialer Sicht“; „Altern und Krankheit“; „Die Angst vor dem Sterben“; „ Ärztliche Fürsorge und pflegerische Betreuung im Alter“; „Gesundes Alter“; „Die altersgerechte Wohnung“, in: Kuschke, Renate Vontra (Hg.): Wir in der zweiten Hälfte des Lebens: ein Ratgeber, Leipzig 1979.

Loos, Herbert: „Anerkannte Unterordnung“ – ein Rückblick auf die Psychiatrie-Entwicklung in der DDR, in: Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten der Versorgung psychisch Kranker und Behinderter, Köln 1992, S. 174–180.

Loos, Herbert: Vom Mißbrauch der Psychiatrie in der DDR, in: Kampf um die Seele. Die Perversion der Psychiatrie und Psychologie in der DDR 31 (2), 1994, S. 15–18.

Loos, Herbert: Psychiatrie im Ost-West-Vergleich: Psychiatrie braucht Öffentlichkeit, in: Deutsches Ärzteblatt 103 (51/52), 2006, S. 3464–3467.

Loos, Herbert: Aha sagte sie, Zugvogel wa?, in: Winkler, Regina (Hg.): Wenn die Magnolie blüht. Arbeitsort Herzberge. Eine Dokumentation, Berlin 2008, S. 171–173.

Loos, Herbert: Der Januskopf der Psychiatrie, in: Behnke, Klaus; Fuchs, Jürgen (Hg.): Zersetzung der Seele: Psychologie und Psychiatrie im Dienste der Stasi, 2013, S. 228–241.

Loos, Herbert: Herzberge: die Geschichte des psychiatrischen Krankenhauses Berlin-Herzberge von 1893 bis 1993, Berlin 2014.

Quellen und Literatur

Loos, Herbert: „Anerkannte Unterordnung“ – ein Rückblick auf die Psychiatrie-Entwicklung in der DDR, in: Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten der Versorgung psychisch Kranker und Behinderter, Köln 1992, S. 174–180.

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