
Einflussnahme auf das wissenschaftliche Arbeiten
Staatliche Vorgaben für die deutsch-deutschen Forschungskontakte 1967/68
Die späten 1960er Jahre markierten eine Phase verstärkter staatlicher Kontrolle über die Wissenschaft der DDR. Vor dem Hintergrund der außenpolitischen Bemühungen um Anerkennung und der innenpolitischen Festigung des Sozialismus erließ die Regierung neue Richtlinien für den Austausch mit der Bundesrepublik und Westberlin.
1967/68 wurden Publikationen in westdeutschen Fachzeitschriften sowie Einladungen westdeutscher Wissenschaftler genehmigungspflichtig. Kontakte zu westdeutschen Fachgesellschaften wurden eingeschränkt, DDR-Wissenschaftler sollten aus diesen austreten. Besonders die medizinischen Fächer waren betroffen, da hier viele Mitgliedschaften bestanden und internationale Zusammenarbeit von großer Bedeutung war.
Zur Umsetzung wurden rechtliche Grundlagen geschaffen und eine zentrale Steuerung eingeführt. Maßgeblich beteiligt waren das Gesundheitsministerium, das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen sowie die Akademie der Wissenschaften, politisch geführt jedoch durch die SED. Eine Schlüsselrolle spielte das Generalsekretariat für medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaften unter Lothar Rohland, das Tagungen, Publikationen und internationale Kontakte koordinierte und so als parteiliches Steuerungsorgan fungierte.
Über Jahrzehnte hinweg waren DDR-Forscher noch in westdeutschen Gesellschaften vertreten, häufig aus Altmitgliedschaften seit vor 1945. Mit den neuen Richtlinien begann eine systematische Beendigung dieser Bindungen. Um die Ärzteschaft dafür zu gewinnen, wurde politisch argumentiert: Die Bundesrepublik maße sich an, allein für das deutsche Volk zu sprechen, während sie die DDR völkerrechtlich nicht anerkannte. Der Austritt aus westdeutschen Gesellschaften sollte deshalb ein Akt politischer Souveränität sein.

Schreiben des Generalsekretariats der medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften an die Kliniksleitungen vom 20.11.1969. Darin wird noch einmal auf die Pflicht aller Mediziner zum Austritt aus westdeutschen Fachgesellschaften hingewiesen. (BArch DQ 101/210a/Erices)
Auch wissenschaftliche Publikationen erhielten ein neues Profil. Zeitschriften sollten nicht nur Forschungsergebnisse dokumentieren, sondern ein sozialistisches Selbstverständnis vermitteln. Damit lösten sich deutsch-deutsche Herausgeberschaften auf, und die Zahl medizinischer Fachzeitschriften wurde reduziert, mit dem Ziel, je eine pro Fachgebiet zu etablieren.
Mit diesen Vorgaben schuf die DDR eine eigenständige, politisch kontrollierte Forschungslandschaft. Internationale Kontakte waren zwar weiterhin möglich, doch streng reguliert. Selbst in den 1970er Jahren, als die DDR weltweit anerkannt wurde und die Teilnahme an Kongressen wieder zunahm, blieb die Überwachung bestehen. Besonders die Auswahl des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Besetzung von Leitungsfunktionen standen unter direkter Parteikontrolle.
So zeigte sich in den Forschungskontakten nach Westdeutschland exemplarisch der Widerspruch zwischen dem Anspruch einer freien Wissenschaft und den politischen Zwängen einer Diktatur.
Quellen und Literatur
BArch, DQ 101/189.
BArch, DQ 101/196.
BArch, DQ 101/210a.
BArch, DQ 101/533d.
BArch, DQ 101/631.
Erices, R. (in Vorb. 2025). Auf dem Weg zur DDR-eigenen Wissenschaft: Staatliche Eingriffe auf medizinische Gesellschaften Ende der 1960er Jahre.