Akteur

Horst Berthold in den 1960er Jahren während seiner Zeit in Schwerin. Quelle: LHAS Berufl. und gesellsch. Werdegänge von Direktoren, leitenden Ärzten u.a. 1848-1989 AZ 110.

Dr. med. Horst Berthold (1923–1969)

Psychiater

Psychiater und Reformer

Horst Berthold gehört zu den wenig bekannten Sozialpsychiatern in der DDR. Er ist einer der Protagonisten der Rodewischer Thesen. In der Schweriner Klinik setzt er in den knapp zehn Jahren seiner Tätigkeit zahlreiche ambitionierte Projekte der Reformpsychiatrie um. Es gelingt ihm, ein fast vollständiges Netz psychiatrischer Fürsorge im Bezirk Schwerin zu etablieren.

Zweifellos hat die Psychiatrie aufgrund ihrer historischen Entwicklung und den gegenwärtig noch im Fluss befindlichen großen Umwälzungen auf therapeutischem Gebiet einen großen Nachholbedarf, den wir in vollem Umfang anerkennen und keinesfalls unterschätzen. Wir sind in der gegenwärtigen Lage unseres Bezirkes jedoch nicht in der Lage, die sich daraus ergebenden Forderungen zu erfüllen. Da nach unseren Informationen auch in anderen Bezirken derartige Situationen bestehen, empfehlen wir eine zentrale Einschätzung der Lage und Notwendigkeiten und daraus folgend zentrale Maßnahmen zur Behebung dieses Notstandes.

Horst Berthold in einem Schreiben an den Bezirksarzt von Schwerin im Jahr 1964, LHAS 7.11-1/31: Schriftverkehr des Bezirksbeauftragten für Psychiatrie 1955–1970 AZ 211.

Porträt

192323. Dezember: Horst Berthold wird als Sohn eines Gastwirts in Leipzig geboren.
1942Nach Erlangung des Reifezeugnisses beginnt er mit dem Studium der Medizin in Wien und Berlin.
1942–1945Durch seine Einberufung zur Wehrmacht wird das Studium immer wieder unterbrochen.
1946–1950Fortsetzung des Studiums in Leipzig. Promotion zum Thema: „Zur Pathologie des Kindesalters: Beitrag zur Entwicklung des Epiphysenfugenknorpels während der Embryonal- und ersten Säuglingszeit“.
1950–1952Pflichtassistenz am Pathologischen Institut Leipzig, danach am Landeskrankenhaus Pfafferode in Thüringen. Hier sammelt Berthold erste Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie. Nach seiner chirurgischen Ausbildung in Aue wechselt er als wissenschaftlicher Assistent an der Universitätsnervenklinik Rostock.
1955Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Oberarzt an der Rostocker Klinik. Als seine Lehrer bezeichnet er Hans Heygster und Franz Günter Ritter von Stockert.
1959Oktober: Berthold wird Direktor der Bezirksnervenklinik Schwerin.
1959–1969In den knapp zehn Jahren seiner Tätigkeit in Schwerin setzt er zahlreiche ambitionierte Projekte der Reformpsychiatrie um. Es gelingt ihm, ein fast vollständiges Netz psychiatrischer Fürsorge im Bezirk Schwerin zu etablieren. Zunächst wird eine Abteilung und später eine Klinik für Rehabilitation geschaffen, der sowohl die Arbeitstherapie in der Bezirksnervenklinik als auch Außenstellen angegliedert sind. Die psychiatrische und auch die neurologische Therapie werden weiter ausdifferenziert. Im Rahmen dessen kommt es zur Bildung spezialisierter Abteilungen und chefarztgeführten Kliniken innerhalb der Einrichtung. Sein Ziel ist es – gemäß der Rodewischer Thesen –, den Anstaltscharakter zu überwinden, um zu einer Klinik mit aktiver Behandlung zu werden.
1961Berufung in den Fachausschuss für Psychiatrie beim Ministerium für Gesundheitswesen der DDR
1962Medizinalrat
1965Mitglied des Vorstands der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie der DDR
1966Leiter der Arbeitsgruppe Neuropsychopharmakologie sowohl bei der Problemkommission für Klinische Pharmakologie als auch bei der Problemkommission für Neurologie und Psychiatrie beim Ministerium für Gesundheitswesen
1968Obermedizinalrat
1969Januar: Während eines Weiterbildungslehrgangs für Führungs-und Leitungskader des Gesundheits- und Sozialwesens der drei Nordbezirke erleidet Berthold einen Herzinfarkt und stirbt kurz darauf.

Interview von Horst Berthold mit der Schweriner Volkszeitung aus dem Jahr 1961. Quelle: LHAS 7.11-1/31 Bezirksnervenklinik Schwerin Nr. 73.

Auswahl Publikationen

Berthold, Horst: 10 Jahre Reserpin-Therapie. (Kritische Auswertung der Literatur und eigener Erfahrungen unter besonderer Berücksichtigung der langfristigen Medikationsweise), in: Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie 15 (8), 1963, S. 302–311.

Berthold, Horst; Störk, Günter: Psychiatrische Arbeitstherapie, in: Renker, Karlheinz (Hg.): Grundlagen der Rehabilitation in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (Ost) 1964, S. 185–196.

Berthold, Horst: Therapie der schizophrenen Erkrankungen, in: Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie. Beiheft (4/5), 1966, S. 172–186.

Berthold, Horst; Eichler, Liese Lotte; Müller, Karl: Rehabilitationsfähigkeit und Möglichkeit eines Arbeitseinsatzes bei psychiatrischen Erkrankungen, in: Zeitschrift für die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete 13 (6), 1967, S. 448–449.

Berthold, R. Horst: Historische Entwicklung der psychiatrischen Therapie und Arbeitstherapie, in: Institut für Weiterbildung mittlerer medizinischer Fachkräfte (Hg.): Zweiter Weiterbildungslehrgang für Arbeitstherapeuten in der Psychiatrie: vom 14. bis 17. Februar 1966 in Brandenburg-Görden; 5 Vorträge, Potsdam 1967, S. 5–11.

Quellen und Literatur

Appen von, Maren: „so daß wir allmählich den Charakter der Anstalt abschütteln können und zu einer Klinik mit aktiver Behandlung werden“ Die Umgestaltung der Heil- und Pflegeanstalt Sachsenberg bei Schwerin im Kontext der DDR-Reformpsychiatrie in den 1960er- Jahren, in: Kumbier, Ekkehardt (Hg.): Psychiatrie in der DDR II. Weitere Beiträge zur Geschichte., Berlin 2020, S. 355–375.

Appen von, Maren:„so daß wir allmählich den Charakter einer Anstalt abschütteln können und zu einer Klinik mit aktiver Behandlung werden“ – die Umgestaltung der Heil- und Pflegeanstalt Sachsenberg bei Schwerin im Kontext der DDR-Reformpsychiatrie in den 1960er-Jahren, Diss. med., Rostock 2025.

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